Der Anruf kam nach Mitternacht
Schutz haben Sie ihr da gegeben? Was zum Kuckuck ist hier nur los?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen.«
»Sie suchen Geoffrey Fontaine, nicht wahr?«
»Nein.«
»Sie haben in London Sarahs Freilassung arrangiert und sind ihr dann gefolgt. Sie nahmen an, Sarah würde Sie direkt zu Fontaine bringen. So ist es doch?«
»Wir wissen bereits, dass sie das nicht kann.«
»Was soll das denn nun wieder bedeuten?«
»Wir sind nicht hinter Geoffrey Fontaine her.«
»Ach, erzählen Sie mir doch keine Märchen.«
Potter konnte nicht mehr länger schweigend zuhören. »Verdammt!«, brüllte er wütend und knallte mit den flachen Händen auf den Schreibtisch. »Begreifen Sie immer noch nicht, O’Hara? Geoffrey Fontaine war einer von uns.«
Die überraschende Enthüllung brachte Nick für einen Moment zum Schweigen. Er starrte Potter an.
»Soll das heißen – er hat für die Firma gearbeitet?«
»Sehr richtig.«
»Und wo ist er jetzt?«
Potter seufzte und sah plötzlich sehr müde aus. »Er ist tot.«
Nick lehnte sich zurück. Diese Neuigkeit machte ihn fassungslos. Die ganze Sucherei, die ganze Fluchtalles war umsonst gewesen? Sie hatten halb Europa auf der Suche nach einem Toten durchquert. »Ich … mir scheint, ich habe hier eine arge Wissenslücke. Klären Sie mich auf. Wer ist hinter Sarah her?«
Van Dam schaltete sich ein. »Ich weiß nicht, ob wir …«
»Uns bleibt keine andere Wahl«, unterbrach Potter ihn. »Wir müssen es ihm sagen.«
Nach einer kleinen Pause nickte van Dam schließlich zustimmend. »Nun gut. Fangen Sie an, Mr. Potter.«
Während er sprach, schlich Potter wie eine alte Bulldogge zwischen den Sesseln hin und her. »Vor fünf Jahren war einer der Superagenten des holländischen Geheimdienstes ein Mann namens Simon Dance. Er gehörte zu einem Dreierteam. Die beiden anderen waren Frauen: Eva Saint-Clair und Helga Steinberg. Sie hatten einen ganz gewöhnlichen Mordauftrag, aber das Vorhaben ging schief. Ihr Opfer überlebte. Stattdessen wurde dessen Frau getötet.«
»Dance war ein bezahlter Mörder?«
Potter blieb stehen und sah Nick finster an. »Manchmal muss man Feuer mit Feuer bekämpfen, O’Hara. In diesem Fall war das Ziel der Kopf einer weltweiten Terrororganisation. Diese Kerle arbeiten nicht für Ideologien, sie arbeiten nur für bares Geld. Für einhunderttausend Dollar bekommt man eine Bombe, und für die dreifache Summe wird ein Schiff versenkt, oder man erhält eine Kiste Maschinengewehre oder eine Bodenabwehrrakete. Alles, was man sich vorstellen kann – zum entsprechenden Preis. Man hat gar keine andere Möglichkeit, mit einer solchen Gruppe fertig zu werden, außer man wendet deren eigene Methoden an. Der Job musste getan werden, und das Team um Dance war das Beste dafür.«
»Aber das Opfer entkam.«
»Unglücklicherweise, ja. Innerhalb eines Jahres war dann auf alle drei Geheimagenten ein Kopfgeld ausgesetzt und die höchste Summe natürlich auf Simon Dance. Zu der Zeit hatte sich das Trio aber schon klugerweise aus dem Staub gemacht. Wir glauben, dass Helga Steinberg noch in Deutschland lebt. Dance und Eva Saint-Clair verschwanden spurlos. Fünf Jahre lang wusste niemand, wo sie abgeblieben waren. Und dann saß vor ungefähr drei Wochen einer unserer Londoner Agenten zufällig im Foyer des Savoy-Hotels und hörte eine Stimme, die er wiedererkannte. Er hatte vor Jahren einmal mit Dance zusammengearbeitet und kannte daher seine Stimme. So haben wir auch Dances neue Identität herausbekommen: Geoffrey Fontaine.«
»Wie kam es, dass er für die Firma tätig war?«
»Ich habe ihn überredet.«
»Womit?«
»Mit dem üblichen: Geld, ein neues Leben. Er aber wollte nichts davon wissen. Er wollte nur eines: ohne jede weitere Furcht weiterleben können. Ich wies ihn darauf hin, dass der einzige Weg dorthin darin bestehe, zurückzukommen und seinen Auftrag an Magus zu Ende zu bringen, dem Mann, den er hätte töten sollen. Schon jahrelang hatte ich selbst versucht, Magus’ habhaft zu werden, leider erfolglos. Ich konnte seine Spur nur bis Amsterdam verfolgen und brauchte jetzt die Hilfe von Simon Dance. Er willigte ein.«
Magus, dachte Nick, der alte Mann, der Zauberer. Endlich begann er zu verstehen. »Sie konnten also den Job nicht selbst ausführen«, stellte er fest, »und haben einen Topagenten in die Dienste der USA genommen.«
»Ja, genau. Und nun sagen Sie bloß nicht, Ihre veralteten, diplomatischen Methoden hätten in einer solchen Lage etwas Vernünftiges
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