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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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November zur Regionalmeisterschaft in Dallas wart, habt ihr vor zehn- bis zwölftausend Leuten gespielt. Und die waren euch nicht freundlich gesinnt.«
    »Football ist was anderes. Wenn wir auflaufen, tragen wir alle einen Helm und die gleiche Spielkleidung. Die Leute können uns nur an den Rückennummern erkennen. Alle sind auf derselben Seite …«
    »Außer dir treten in diesem Stück neun Personen auf, Mike – ohne die Stadtbewohner, die ich für deine Footballkumpel reingeschrieben habe. Auch ihr seid ein Team.«
    »Das ist nicht das Gleiche.«
    »Vielleicht nicht ganz. Aber eines ist gleich: Wenn du sie im Stich lässt, zerfällt der ganze Scheiß, und alle sind die Verlierer. Die Schauspieler, das Bühnenpersonal, die Mädchen vom Förderverein, die unsere Werbung gemacht haben, und alle Leute, die zu den Vorstellungen kommen wollten – manche von fünfzig Meilen entfernten Ranchs. Von mir ganz zu schweigen. Ich verliere auch.«
    »Das stimmt wohl«, sagte Mike. Er saß da und starrte seine Füße an, die mächtig groß waren.
    »Auf Slim oder Curley könnte ich zur Not verzichten; ich würde einfach jemand mit dem Buch rausschicken und ihn die Rolle vorlesen lassen. Ich glaube, ich könnte sogar auf Curleys Frau verzichten …«
    »Ich wollte, Sandy wäre ein bisschen besser«, sagte Mike. »Sie ist verdammt hübsch, aber wenn sie ihren Einsatz mal nicht verpasst, ist das Zufall.«
    Ich gestattete mir ein vorsichtiges Lächeln, wenn auch nur nach innen. Ich schöpfte langsam Hoffnung, dass die Sache gut ausgehen würde. »Was ich nicht verschmerzen könnte – was die Vorstellung nicht verschmerzen könnte –, wäre, dich oder Vince Knowles zu verlieren.«
    Vince spielte Lennies Erntehelferkumpel George, und seinen Ausfall hätten wir sehr wohl verkraften können, wenn er die Grippe bekommen oder sich bei einem Verkehrsunfall den Hals gebrochen hätte (immer eine Möglichkeit, wenn man bedachte, wie er den Pick-up seines Daddys fuhr). Notfalls wäre ich für Vince eingesprungen, obwohl ich für diese Rolle viel zu groß war, und ich hätte seinen Text auch nicht aus dem Buch vorlesen müssen. Nach sechs Wochen Proben konnte ich alle Texte so gut auswendig wie meine Schauspieler. Besser als manche. Aber Mike konnte ich nicht ersetzen. Niemand konnte ihn mit seiner einzigartigen Kombination aus Größe und schauspielerischem Talent ersetzen. Er war der Dreh- und Angelpunkt.
    »Was ist, wenn ich Scheiße baue?«, fragte er. Dann hörte er, was er gesagt hatte, und schlug sich eine Hand vor den Mund.
    Ich setzte mich neben ihn aufs Sofa. Dort war zwar nicht viel Platz, aber es ging. Im Augenblick dachte ich nicht an John Kennedy, Al Templeton, Frank Dunning oder die Welt, aus der ich gekommen war. Ich dachte nur an diesen großen Jungen … und meine Aufführung. Weil sie irgendwann meine geworden war, genau wie diese frühere Zeit mit ihren Gemeinschaftsanschlüssen und dem billigen Benzin jetzt meine war. In diesem Augenblick war mir Von Mäusen und Menschen sehr viel wichtiger als Lee Harvey Oswald.
    Aber noch mehr lag mir an Mike.
    Ich zog die Hand von seinem Mund weg. Legte sie auf seinen muskulösen Oberschenkel. Fasste ihn an den Schultern. Sah ihm in die Augen. »Hör mir zu«, sagte ich. »Hörst du mir zu?«
    »Yessir.«
    »Du wirst keine Scheiße bauen. Sag es.«
    »Ich …«
    »Sag es!«
    »Ich werde keine Scheiße bauen.«
    »Du wirst etwas ganz anderes tun: dein Publikum verblüffen. Das verspreche ich dir, Mike.« Ich wollte fester zupacken, aber seine Schultern waren wie aus Stein. Er hätte mich trotz meiner Größe hochheben und über dem Knie zerbrechen können, aber er saß nur da und betrachtete mich mit Augen, die demütig, hoffnungsvoll und noch voller Tränen waren. »Hast du verstanden? Ich verspreche es dir.«
    4
    Die Bühne war eine Insel aus Licht, vor der als dunkler See der Zuschauerraum lag. George und Lennie standen am Ufer eines imaginären Flusses. Die anderen Männer waren fortgeschickt worden, aber sie würden nicht lange wegbleiben; sollte der große, zögerlich lächelnde Mann in der Latzhose einigermaßen würdevoll sterben, würde George selbst dafür sorgen müssen.
    »George? Wohin gehen die anderen?«
    Mimi Corcoran saß rechts neben mir. Irgendwann hatte sie meine Hand ergriffen und drückte sie. Fest, fest, fest. Wir saßen in der ersten Reihe. Auf der anderen Seite neben ihr saß Deke Simmons, der mit leicht geöffnetem Mund zur Bühne hinaufstarrte. Es war der

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