Der Anschlag - King, S: Anschlag
ärgerlichen kleinen Schrei aus. Ihr schon rotes Gesicht lief beängstigend ziegelrot an.
Ich nahm ihr den Stuhl aus den Händen und stellte ihn beiseite. »Miss Dunhill … Sadie … wenn ich je eine Frau gesehen habe, die ein kaltes Bier braucht, dann sind Sie diese Frau. Kommen Sie mit.«
»Danke«, sagte sie. »Tut mir ehrlich leid. Meine Mutter hat mich ermahnt, mich Männern nicht an den Hals zu werfen, aber ich hab’s nie gelernt.«
Als ich sie zu den Bierfässern hinüberführte, wobei ich sie unterwegs auf verschiedene Lehrer aufmerksam machte (und sie einmal am Arm wegzog, als ein rückwärts laufender Volleyballspieler sie zu rammen drohte), erschien mir eines sicher: Wir konnten Kollegen sein, und wir konnten Freunde werden, vielleicht sogar gute Freunde, aber unabhängig davon, was Mimi vielleicht hoffte, würden wir nie mehr als das sein. In einer Komödie mit Rock Hudson und Doris Day in den Hauptrollen hätte unsere Begegnung zweifellos als »reizendes Treffen« gegolten, aber im richtigen Leben, vor einem Publikum, das immer noch grinste, war es nur unangenehm und peinlich gewesen. Ja, sie war hübsch. Ja, es war nett, neben einer so großen Frau herzugehen, wenn man noch größer war. Und klar, es war ein Vergnügen gewesen, die nachgiebige Festigkeit dieser Brust in ihrer dünnen Doppelhülle aus züchtiger Baumwolle und sexy Nylon zu spüren. Aber wenn man über die Fünfzehn hinaus war, zählte ein zufälliges Begrapschen auf einer Gartenparty nicht als Liebe auf den ersten Blick.
Ich holte der frischgebackenen (oder wieder ungebackenen) Miss Dunhill ein Bier, und dann standen wir in der Nähe der improvisierten Bar und machten angemessen lange Konversation. Wir lachten, als die Taube, die Vince Knowles für diesen Tag gemietet hatte, den Kopf aus seinem Zylinder steckte und ihn in den Finger pickte. Ich zeigte ihr weitere Lehrer (von denen viele bereits Nüchterncity mit dem Alkoholexpress verließen). Sie sagte, dass sie es niemals schaffen werde, sich alle Namen zu merken, worauf ich ihr das Gegenteil versicherte. Sie sprach nicht über ihr Leben als Mrs. Clayton in Georgia, und ich fragte nicht danach. Ich bot ihr an, mich jederzeit anzurufen, wenn sie Hilfe brauche. Die erforderliche Anzahl von Minuten, die erwarteten Gesprächsthemen. Dann bedankte sie sich nochmals dafür, dass ich sie vor einem üblen Unfall bewahrt hatte, und ging davon, um zu sehen, ob sie dabei helfen konnte, die Kinder zu dem nach der piñata schlagenden Mob zu organisieren, in den sie sich bald verwandeln würden. Ich sah ihr nach, als sie davonging – nicht verliebt, aber etwas wollüstig; ich gestehe, dass ich kurz an den mit Spitze besetzten Strumpfrand und den rosa Strumpfhalter dachte.
Meine Gedanken kehrten zu ihr zurück, als ich an diesem Abend zu Bett ging. Sie füllte einen ziemlich großen Raum auf sehr nette Art aus, und nicht nur meine Augen hatten wohlgefällig verfolgt, wie angenehm sie sich in ihrem bedruckten Kleid bewegte, aber das war’s dann auch schon. Was hätte es mehr geben können? Kurz bevor ich die verrückteste Reise der Welt angetreten hatte, hatte ich einen Roman mit dem Titel Eine verlässliche Frau gelesen, und als ich unter die Decke kroch, fiel mir eine Zeile daraus ein: »Er hatte sich romantische Ideen abgewöhnt.«
Das bin ich, dachte ich, als ich das Licht ausknipste. Total entwöhnt. Und dann, als die Grillen mich in den Schlaf zirpten: Aber es war nicht nur die Brust, die nett war. Es war ihr Gewicht. Ihr Gewicht in meinen Armen.
Wie sich zeigen sollte, hatte ich mir romantische Ideen keineswegs abgewöhnt.
7
Im August war Jodie ein Backofen, in dem die Temperaturen jeden Tag mindestens 35 Grad, oft auch 40 Grad erreichten. Die Klimaanlage meines gemieteten Hauses in der Mesa Lane war zwar gut, aber nicht so gut, dass sie den dauernden Hitzeattacken gewachsen war. Manchmal – wenn ein Schauer Abkühlung brachte – waren die Nächte etwas besser, aber nicht viel.
Am Morgen des 27. Augusts saß ich an meinem Schreibtisch und arbeitete nur mit Basketballshorts bekleidet an The Murder Place, als jemand an der Tür klingelte. Ich runzelte die Stirn. Es war Sonntag, ich hatte erst vor Kurzem das Läuten der miteinander wetteifernden Kirchenglocken gehört, und die meisten Menschen, die ich kannte, besuchten gerade eine der vier oder fünf Kirchen der Kleinstadt.
Ich streifte mir ein T-Shirt über und ging zur Tür. Draußen stand Coach Borman mit Ellen Dockerty,
Weitere Kostenlose Bücher