Der Anschlag - King, S: Anschlag
Spiel.«
»Richtig, das tun sie. Und ich bin gern mit dir zusammen, George.«
»Weil ich größer bin.«
Sie boxte mich – wie eine große Schwester – spielerisch gegen den Oberarm. »Stimmt genau, Partner. Du bist der Typ Mann, zu dem ich aufsehen kann.«
9
Beim Spiel sah praktisch jeder zu uns auf – und das fast ehrfürchtig, so als verkörperten wir eine leicht unterschiedliche Menschenrasse. Ich fand das irgendwie nett, und Sadie musste sich ausnahmsweise nicht klein machen, um hineinzupassen. Sie trug einen Löwenrudel-Pulli und ihre ausgebleichten Jeans. Mit ihren zu einem Pferdeschwanz zusammengefassten Haaren sah sie selbst wie eine Schülerin aus der Oberstufe aus. Ein großes Mädchen, das vermutlich Center in der Basketballmannschaft der Schule spielte.
Wir saßen auf den Lehrerplätzen und jubelten, als Jim LaDue die Verteidigung der Arnette Bears mit einem halben Dutzend Kurzpässen aufriss und dann eine Sechzigyardbombe folgen ließ, die das Publikum von den Sitzen riss. Zur Halbzeit führte Denholm gegen Arnette mit 31 : 6 Punkten. Als die Spieler vom Platz rannten und die Schulkapelle Tuben und Posaunen schwenkend aufmarschierte, fragte ich Sadie, ob sie einen Hotdog und eine Cola wolle.
»Und wie! Aber jetzt reicht die Schlange bestimmt schon bis zum Parkplatz hinaus. Warten wir lieber eine Auszeit im dritten Viertel oder so ab. Wir müssen noch wie die Löwen brüllen und den Jim-Schrei loslassen.«
»Ich glaube, das schaffst du beides allein.«
Sie fasste mich lächelnd am Arm. »Nein, du musst mir dabei helfen. Ich bin hier neu, schon vergessen?«
Bei ihrer Berührung empfand ich einen warmen kleinen Schauder, den ich nicht mit Freundschaft in Verbindung brachte. Kein Wunder: Ihre Wangen waren gerötet, und ihre Augen glänzten; im Scheinwerferlicht unter dem grünlich blauen Himmel einer texanischen Abenddämmerung war sie weit mehr als nur hübsch. Die Dinge zwischen uns hätten rascher fortschreiten können, als sie es taten – wäre das Erlebnis in der Halbzeitpause nicht gewesen.
Die Kapelle marschierte um den Platz, wie es Schülerkapellen eben taten: im Gleichschritt, aber nicht ganz im Takt, und ein Potpourri schmetternd, das man nicht recht identifizieren konnte. Als der letzte Ton verklungen war, liefen die Cheerleader zur Fünfzigyardlinie, legten ihre Pompons vor den Füßen ab und stemmten die Arme in die Hüften. »Gebt uns ein L!«
Das taten wir, und als sie weitere Buchstaben forderten, waren wir ihnen mit einem I, einem O, einem N und einem S gefällig.
»Was ergibt das?«
» LIONS! « Auf der Heimtribüne waren alle aufgesprungen und klatschten.
»Wer gewinnt heute?«
» LIONS! « Beim heutigen Halbzeitstand stand das einigermaßen außer Zweifel.
»Dann wollen wir euch brüllen hören!«
Wir brüllten alle, wie es der Brauch erforderte, indem wir uns erst nach links und dann nach rechts wandten. Sadie gab sich ordentlich Mühe, legte die Hände an den Mund und ließ ihren Pferdeschwanz von einer Schulter zur anderen fliegen.
Als Nächstes kam der Jim-Cheer. In den vergangenen drei Jahren – ja, unser Mr. LaDue hatte schon von Anfang an als Quarterback gespielt – war das eine ziemlich einfache Sache gewesen. Die Cheerleader riefen etwas wie: Let us hear your Lion Pride! Name the man who leads our side! Und das heimische Publikum skandierte JIM! JIM! JIM! . Danach schlugen die Cheerleader auf dem Rasen noch ein paar Räder, bevor sie vom Feld liefen, damit die Kapelle der Gäste aufmarschieren und ebenfalls ein, zwei Stücke spielen konnte. Aber dieses Jahr, vielleicht weil es Jims Abschiedssaison war, war der bisherige Ruf abgeändert worden.
Immer wenn die Menge JIM brüllte, antworteten die Cheer leader mit der ersten Silbe seines Nachnamens, die sie fast neckisch in die Länge zogen. Das war neu, aber es war nicht schwierig, und das Publikum hatte es sofort drauf. Sadie war mit bei den Besten, bis sie merkte, dass ich nicht in den Chor einstimmte. Ich stand nur mit offenem Mund da.
»George? Alles in Ordnung mit dir?«
Ich konnte nicht antworten. Eigentlich hörte ich sie kaum. Weil der größte Teil von mir wieder in Lisbon Falls weilte. Ich war gerade aus dem Kaninchenbau gekommen. Ich war gerade den Trockenschuppen entlanggegangen und unter der Absperrkette hindurchgeschlüpft. Ich war darauf vorbereitet, dem Gelbe-Karte-Mann zu begegnen, aber nicht darauf gefasst, dass er mich angreifen würde. Was er aber tat. Nur war er nicht mehr der
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