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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Sie hatte ihren Verehrer geheiratet, sie gab eine Party, die ein rauschender Erfolg war, und sie war dabei, eine hübsche junge Frau in einem hübschen Sommerkleid mit dem einzigen ledigen Englischlehrer der Schule bekannt zu machen.
    »He, Mimi«, sagte ich und ging ihr in sanft ansteigendem Gelände entgegen. Ich schlängelte mich zwischen den Klapptischen hindurch (aus der Veterans Hall geliehen), an denen die Leute später sitzen würden, um sich Gegrilltes einzuverleiben und den Sonnenuntergang zu beobachten. »Gratulation. Nun werde ich mich wohl daran gewöhnen müssen, Sie Miz Simmons zu nennen.«
    Sie lächelte ihr trockenes Lächeln. »Bleiben Sie bitte bei Mimi, das bin ich gewohnt. Hier ist eine neue Kollegin, mit der ich Sie bekannt machen möchte. Dies ist …«
    Irgendjemand hatte vergessen, einen der Klappstühle ganz unter den Tisch zu schieben, und die große Blondine, die mir schon die Hand hinstreckte und ihr Wie-nett-Sie-kennenzulernen-Lächeln aufsetzte, stolperte darüber und fiel nach vorn. Der Stuhl ging mit und kam dabei so zu liegen, dass ich das Potenzial für einen scheußlichen Unfall sah, wenn ein Stuhlbein sich in ihren Magen bohrte.
    Ich ließ meinen Pappbecher fallen, machte einen Riesenschritt nach vorn und fing die Fallende auf. Mein linker Arm umschlang ihre Taille. Die rechte Hand landete etwas höher und umfasste etwas, was warm und rund und nachgiebig weich war. Zwischen meiner Hand und ihrer Brust glitt der Baumwollstoff ihres Kleides über glattes Nylon oder Seide oder was immer sie darunter trug. Es war zwar eine intime Art, sich kennenzulernen, aber wir hatten den umstürzenden Stuhl als Entschuldigung, und obwohl ich unter der Wucht ihrer ungefähr siebzig Kilogramm leicht taumelte, blieb ich auf den Beinen – und damit auch Sadie.
    Ich nahm meine Hand von dem Teil ihres Körpers, der beim ersten Kennenlernen selten umfasst wurde, und sagte: »Hallo, ich bin …« Jake. Ich hätte um ein Haar meinen Namen aus dem 21. Jahrhundert genannt, fing mich aber im letzten Augenblick. »Ich bin George. Wie nett, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
    Sie war bis zu den Haarwurzeln hinauf errötet. Ich vermutlich auch. Aber sie hatte den Anstand zu lachen.
    »Nett, Ihre zu machen. Ich glaube, Sie haben mich gerade vor einem hässlichen Unfall bewahrt.«
    Das stimmte wahrscheinlich. Das steckte nämlich dahinter: Sadie war nicht etwa unbeholfen, sie war nur unfallanfällig. Das war amüsant, bis man erkannte, was es in Wirklichkeit war: eine Art Spuk, der sie verfolgte. Sie war das Mädchen, erzählte sie mir später, dessen Kleidersaum sich in der Autotür verfing, wenn ihr Partner und sie zum Abschlussball der Highschool kamen, sodass sie sich auf dem Weg zur Turnhalle den ganzen Rock abriss. Sie war die Frau, bei der Trinkwasserspender falsch funktionierten und ihr das Gesicht nass spritzten; die Frau, bei der ein ganzes Streichholzbriefchen in Flammen aufging, wenn sie sich eine Zigarette anzünden wollte, und ihr die Finger verbrannte und das Haar ansengte; die Frau, deren BH -Träger am Elternabend riss oder die vor Schulveranstaltungen, auf denen sie sprechen sollte, große Laufmaschen in ihren Strümpfen entdeckte.
    Sie achtete auf ihren Kopf, wenn sie durch die Tür ging (das gewöhnten sich alle vernünftigen hochgewachsenen Menschen an), aber andere Menschen neigten dazu, die Tür unvorsichtig aufzustoßen, wenn Sadie sich ihr gerade näherte. Sie hatte schon dreimal in Aufzügen festgesteckt, einmal fast zwei Stunden lang, und im Jahr zuvor hatte die in einem Kaufhaus in Savannah neu einge baute Rolltreppe einen ihrer Schuhe verschluckt. Natürlich wusste ich damals nichts von all diesen Dingen; an diesem Julinachmittag wusste ich nur, dass mir eine attraktive Frau mit blondem Haar und blauen Augen in die Arme gefallen war.
    »Wie ich sehe, kommen Miss Dunhill und Sie schon glänzend miteinander aus«, sagte Mimi. »Ich lasse Sie jetzt allein, damit Sie sich kennenlernen können.«
    Aha, dachte ich, der Wechsel von Mrs. Clayton zu Miss Dunhill war schon ohne Rücksicht auf legale Formalitäten vollzogen. Unterdessen steckte der Stuhl mit einem Bein in der feuchten Erde fest. Als Sadie ihn herauszuziehen versuchte, bewegte er sich nicht gleich. Als er es dann tat, scharrte die Stuhllehne ihren Oberschenkel entlang, schob den Rock hoch und gab den Blick auf ein bestrumpftes Bein bis hinauf zum Strumpfhalter frei. Der so rosa war wie die Rosen auf ihrem Kleid. Sie stieß einen

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