Der Anschlag - King, S: Anschlag
Leiterin des Fachbereichs Hauswirtschaftslehre und amtierende DCHS -Direktorin fürs kommende Schuljahr; Deke hatte seinen Rücktritt am selben Tag wie Mimi eingereicht, was niemand überrascht hatte. Der Trainer hatte sich in einen dunkelblauen Anzug mit greller Krawatte gezwängt, die seinen säulenförmigen Hals abzuwürgen schien. Ellen trug ein züchtiges, graues Kostüm, das nur durch eine Rüschenbluse aufgelockert wurde. Beide sahen ernst drein. Mein erster Gedanke, ebenso überzeugend wie wild: Sie wissen alles. Sie wissen, wer ich bin und woher ich komme. Sie sind hier, um es mir zu sagen.
Coach Bormans Lippen zitterten, und obwohl Ellen nicht schluchzte, hatte sie Tränen in den Augen. Plötzlich wusste ich Bescheid.
»Mimi?«
Der Trainer nickte. »Deke hat mich angerufen. Ich habe Ellie abgeholt – ich nehme sie meistens in die Kirche mit –, und wir gehen reihum, um es den Leuten zu sagen. Zuerst denen, die sie am meisten gemocht hat.«
»Tut mir leid, das zu hören«, sagte ich. »Wie geht es Deke?«
»Er scheint sich tapfer zu halten«, antwortete Ellen, dann sah sie mit gewisser Strenge zu Borman hinüber. »Wenigstens sagt er das.«
»Ja, er ist okay«, sagte der Trainer. »’türlich am Boden zerstört.«
»Klar ist er das«, sagte ich.
»Er will sie einäschern lassen.« Ellen kniff missbilligend die Lip pen zusammen. »Das hat sie so gewollt, sagt er.«
Ich dachte darüber nach. »Gleich nach Schulbeginn sollte es eine spezielle Versammlung geben. Können wir die einberufen? Auf der kann der eine oder andere ein paar Worte sagen. Vielleicht können wir Dias zeigen? Nicht wenige müssen Bilder von ihr haben.«
»Eine wundervolle Idee«, sagte Ellen. »Könnten Sie das organisieren, George?«
»Ich will’s gern versuchen.«
»Lassen Sie sich von Miss Dunhill helfen.« Und bevor ich auch nur den Verdacht haben könnte, ich sollte wieder verkuppelt werden, fügte sie hinzu: »Ich glaube, dass es die Jungen und Mädchen, die Mims geliebt haben, trösten wird, wenn ihre handverlesene Nachfolgerin bei der Gedenkfeier mithilft. Und das wird auch Sadie helfen.«
Natürlich würde es das. Als Neue konnte sie zu Beginn des Schuljahrs eine ordentliche Portion Wohlwollen brauchen.
»Okay, ich rede mit ihr. Ich danke Ihnen beiden. Sonst kommen Sie zurecht?«
»Klar«, sagte der Coach tapfer, aber seine Lippen zitterten immer noch. Dafür mochte ich ihn. Sie gingen langsam zu seinem am Randstein geparkten Wagen hinunter. Dabei hielt der Trainer Ellens Ellbogen leicht umfasst. Auch dafür mochte ich ihn.
Ich schloss die Haustür, setzte mich auf die Bank in der tristen kleinen Diele und dachte daran, wie Mimi gesagt hatte, dass sie traurig sein würde, wenn ich die Theateraufführung nicht übernähme. Und wenn ich nicht für mindestens ein Jahr als Englischlehrer in Vollzeit unterschreiben würde. Und wenn ich nicht zu ihrer Hochzeitsparty käme. Mimi, die fand, dass Der Fänger im Roggen in die Schulbibliothek gehöre, und die nichts gegen eine nette Bumsrunde am Samstagabend hatte. Sie hatte zu den Lehrkräften gehört, an die sich Jungen und Mädchen noch lange nach Schulabschluss erinnerten und die sie manchmal besuchten, wenn sie keine Jungen und Mädchen mehr waren. Eine von denen, die manchmal in einem kritischen Augenblick im Leben eines problembeladenen Schülers auftauchten und ihm einen entscheidenden Impuls gaben.
Wem ein tugendsam Weib beschert ist, die ist viel edler denn die köstlichsten Perlen, steht in den Sprüchen Salomos. Sie geht mit Wolle und Flachs um und arbeitet gern mit ihren Händen. Sie ist wie ein Kaufmannsschiff, das seine Nahrung von ferne bringt.
Es gab mehr Kleidung als die, die man am Körper trug, das wusste jeder Lehrer, und Nahrung war nicht nur das, was man in den Mund steckte. Miz Mimi hatte viele ernährt und gekleidet. Auch mich. Ich saß mit gesenktem Kopf und dem Gesicht in den Händen auf meiner Bank, die ich in Fort Worth auf dem Flohmarkt gekauft hatte. Ich dachte an sie und war sehr traurig, aber meine Augen blieben trocken.
Ich war nie das, was man eine Heulsuse nennen könnte.
8
Sadie erklärte sich sofort bereit, mir beim Organisieren der Gedenkversammlung zu helfen. Damit waren wir in den beiden letzten Wochen dieses heißen Augusts beschäftigt, in denen wir in der Stadt herumfuhren, um Redner zu finden. Ich gewann Mike Coslaw dafür, die Schilderung der tugendsamen Frau in Kapitel 31 der Sprüche Salomos vorzulesen, und Al Stevens
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