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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dass dir das nicht unangenehm ist.«
    »Was denn?«
    »Ich glaube, dass ich mich in dich verliebt habe. Vielleicht ist es nur der Sex, angeblich erliegen ja viele diesem Irrtum, aber das glaube ich nicht.«
    »Sadie?«
    »Ja?« Sie versuchte zu lächeln, aber sie wirkte ängstlich.
    »Ich liebe dich auch. Ohne Wenn und Aber.«
    »Gott sei Dank«, sagte sie und kuschelte sich an mich.
    11
    In unserer zweiten Nacht in den Candlewood Bungalows war sie be reit, über Johnny Clayton zu reden. »Aber mach das Licht aus, ja?«
    Ich tat, was sie verlangte. Sie rauchte drei Zigaretten, während sie erzählte. Gegen Ende weinte sie heftig, vermutlich weniger aus erinnertem Schmerz als aus schlichter Verlegenheit. Für die meis ten von uns war es leichter, eine Straftat zuzugeben als eine Dummheit. Nicht dass sie dumm gewesen wäre. Zwischen Dummheit und Naivität lagen Welten, und wie die meisten braven Mittel standsmädchen, die in den Vierziger- und Fünfzigerjahren erwach sen wurden, wusste Sadie praktisch nichts über Sex. Sie sagte, sie habe niemals ein männliches Glied aus der Nähe gesehen, bis sie meines das erste Mal zu sehen bekam. Von Johnnys hatte sie einige Male einen flüchtigen Blick erhascht, aber wenn er sie dabei ertappte, nahm er ihren Kopf zwischen die Hände und drehte ihn so heftig zur Seite, dass es wehtat.
    »Aber es tat immer weh«, sagte sie. »Verstehst du?«
    John Clayton stammte aus einer konventionell gläubigen Familie, die man nicht als Spinner abtun konnte. Er war freundlich, aufmerksam und einigermaßen gut aussehend. Er war nicht gerade für seinen Humor bekannt (er hatte so gut wie keinen), aber er schien sie anzubeten. Ihre Eltern beteten ihn an. Claire Dunhill war auf besondere Weise verrückt nach Johnny Clayton. Und er war natürlich größer als Sadie, selbst wenn sie hohe Absätze trug. Nach Jahren der Bohnenstangenwitze war das nicht unwesentlich.
    »Das einzig Störende vor der Hochzeit waren seine Pedanterie und sein Waschzwang«, erzählte Sadie. »Er hatte alle seine Bücher alphabetisch geordnet und war jedes Mal sehr aufgebracht, wenn mal jemand eins falsch eingestellt hat. Er war schon nervös, wenn man ein Buch aus dem Regal nahm – man konnte richtig spüren, wie verkrampft er war. Er hat sich dreimal täglich rasiert und sich dauernd die Hände gewaschen. Wenn jemand ihm die Hand gegeben hat, ist er so schnell wie möglich mit einer Ausrede verschwunden, um sich die Hände zu waschen.«
    »Und er hat seine Garderobe farblich aufeinander abgestimmt«, sagte ich. »Im Schrank wie am Körper, und wehe dem Ahnungslosen, der sie durcheinanderbrachte. Hat er die Vorräte in der Speisekammer alphabetisch geordnet? Oder ist er manchmal nachts aufgestanden, um zu kontrollieren, ob die Herdplatten ausgeschal tet und die Türen abgesperrt sind?«
    Sie drehte sich mir zu, und ich erriet, dass ihre Augen im Dunkel staunend geweitet waren. Unser Bett quietschte leise; eine lose Fensterscheibe klapperte. »Woher weißt du das?«
    »Das ist ein Syndrom, eine sogenannte Zwangsstörung. Howard …« Ich hielt inne. Howard Hughes ist ein klassischer Fall, hatte ich sagen wollen, aber vielleicht stimmte das ja noch nicht. Und wenn doch, war davon möglicherweise nichts öffentlich bekannt. »Ich hatte mal einen Freund, der darunter gelitten hat. Howard Temple. Aber lassen wir das. Hat er dir wehgetan, Sadie?«
    »Eigentlich nicht, nicht durch Schläge oder Boxhiebe. Einmal hat er mir eine Ohrfeige verpasst, das war alles. Aber es gibt andere Möglichkeiten, einander zu verletzen, oder nicht?«
    »Und ob.«
    »Ich konnte mit niemand darüber reden. Schon gar nicht mit meiner Mutter. Weißt du, was sie mir am Hochzeitstag geraten hat? Ich soll vorher ein halbes Gebet und währenddessen ein halbes Gebet sprechen, dann wär alles in Ordnung. Währenddessen … näher hat sie sich nie an das Wort Geschlechtsverkehr herangewagt. Ich habe versucht, mit meiner Freundin Ruthie darüber zu sprechen – aber nur ein einziges Mal. Das war nach der Schule, als sie mir geholfen hat, die Bibliothek aufzuräumen. ›Was hinter eurer Schlafzimmertür passiert, geht mich nichts an‹, hat sie gesagt. Ich habe schließlich aufgehört, weil ich selbst nicht richtig darüber reden wollte. Ich habe mich so geschämt.«
    Und dann kam alles in einem einzigen Schwall heraus. Manches war unter lautem Schluchzen kaum verständlich, aber ich bekam das Wesentliche mit. In bestimmten Nächten – vielleicht einmal pro

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