Der Anschlag - King, S: Anschlag
Woche, vielleicht zweimal – erklärte er ihr, dass es Zeit wurde fürs »Raus-damit«, damit er es »loswurde«. Dann lagen sie nebeneinander auf dem Bett: sie in ihrem Nachthemd (er bestand darauf, dass sie undurchsichtige trug), Johnny in Boxershorts. Nackter als in Boxershorts bekam sie ihn nie zu sehen. Er schob die Bettdecke bis zu seiner Taille hinunter, und Sadie konnte sehen, wie seine Erektion sie zeltförmig ausbeulte.
»Einmal hat er sich das kleine Zelt selbst angesehen. Nur ein einziges Mal, soweit ich mich erinnern kann. Und weißt du, was er gesagt hat?«
»Nein.«
»›Wie widerlich wir sind.‹ Dann hat er gesagt: ›Bring’s hinter dich, damit ich schlafen kann.‹«
Also griff Sadie unter die Bettdecke und masturbierte ihn. Er brauchte nie lange, manchmal nur Sekunden. In seltenen Fällen berührte er dabei ihre Brüste, aber meist blieben seine Hände krampfhaft vor der eigenen Brust gefaltet. Sobald es vorbei war, ging er ins Bad, duschte und kam im Schlafanzug zurück. Er hatte sieben Pyjamas, alle blau.
Dann war sie an der Reihe, ins Bad zu gehen und sich die Hände zu waschen. Er bestand darauf, dass sie das mindestens drei Minuten lang unter so heißem Wasser tat, dass ihre Haut rot wurde. Zurück im Bett, musste sie ihm die Hände vors Gesicht halten. Wenn ihm der Seifengeruch nicht stark genug war, schickte er sie zum erneuten Händewaschen.
»Und wenn ich zurückgekommen bin, war jedes Mal der Besen da.«
Er legte ihn aufs Laken, wenn es Sommer war, oder auf die Decke, wenn es Winter war. Der Holzstiel teilte das Bett genau in der Mitte. In seine Seite und ihre Seite.
»Wenn ich unruhig geschlafen und ihn unabsichtlich verschoben habe, ist er aufgewacht. Ganz gleich, wie fest er schlief. Und er hat mich grob auf meine Seite zurückgestoßen. Er nannte es ›gegen den Besen sündigen‹.«
Die Ohrfeige hatte sie sich mit der Frage verdient, wie sie jemals Kinder haben sollten, wenn er ihn nie in sie hineinstecke. »Er war wütend. Deswegen hat er mich geohrfeigt. Später hat er sich entschuldigt, aber dabei gesagt: ›Glaubst du, dass ich in dein von Keimen befallenes Frauenloch will, um Kinder in diese schmutzige Welt zu setzen? Sie geht ohnehin demnächst hoch, das kann jeder kommen sehen, der Zeitung liest, und die Strahlung wird uns allen den Garaus machen. Wir werden mit Geschwüren am ganzen Körper sterben und uns die Lunge aus dem Leib husten. Das kann schon morgen passieren.‹«
»Herr des Himmels. Kein Wunder, dass du ihn verlassen hast, Sadie.«
»Erst nach vier vergeudeten Jahren. So lange habe ich gebraucht, um zu erkennen, dass ich mehr im Leben verdient hatte, als die Socken meines Ehemanns nach Farben zu ordnen, ihm zweimal in der Woche einen runterzuholen und mit einem gottverdammten Besen zu schlafen. Das war der schlimmste Teil, über den ich nie mit jemand reden konnte … weil das komisch war.«
Ich fand es keineswegs komisch. Ich fand, dass es irgendwo in der Grauzone zwischen einer Neurose und einer regelrechten Psychose angesiedelt war. Außerdem fand ich, dass ich einer perfekten Fünfzigerjahrefabel lauschte. Es war leicht, sich vorzustellen, wie Rock Hudson und Doris Day mit einem Besen zwischen sich schliefen. Das heißt, wenn Rock nicht schwul gewesen wäre.
»Und er hat sich nicht auf die Suche nach dir gemacht?«
»Nein. Ich habe mich bei einem Dutzend Schulen beworben und dabei jeweils eine Postfachadresse angegeben. Ich kam mir vor wie eine Frau, die herumschleicht, weil sie eine Affäre hat. Und so haben meine Eltern mich behandelt, als sie es rausgekriegt haben. Mein Vater hat sich wieder etwas beruhigt – ich denke, er hat eine Ahnung, wie schlimm es war, obwohl er natürlich keine Details hören will –, aber meine Mutter? Die doch nicht! Sie ist wütend auf mich. Sie musste die Kirche wechseln und aus der Handarbeitsgruppe austreten. Weil sie dort nicht mehr erhobenen Hauptes hinkonnte, sagt sie.«
Das erschien mir in gewisser Art ebenso grausam und verrückt wie der Besen, doch das behielt ich für mich. Auch interessierte mich ein anderer Aspekt mehr als Sadies spießige Südstaateneltern. » Clayton hat ihnen nicht gesagt, dass du ihn verlassen hast? Habe ich das richtig verstanden? Er hat sie nie besucht?«
»Nein. Meine Mutter hatte dafür natürlich Verständnis.« Sadies sonst nur schwacher Südstaatenakzent wurde deutlicher. »Ich hab solche Schande über den arm Jung gebracht, dass er keim davon erzähln wollt.« Sadie
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