Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
respektvolle, aber doch nüchterne Anredeform hatte er vermutlich bei den Marines gelernt. Farblos war das Wort, das ihn am besten beschrieb. Er hatte das Gesicht und die Stimme eines Mannes, der sich darauf verstand, durch Ritzen zu schlüpfen. Wenigstens in der Öffentlichkeit. Es war Marina, die sein anderes Gesicht sah und seine andere Stimme hörte.
    Schlangenlederstiefel machte vage Versprechungen und garantierte eine neue Matratze für das große Schlafzimmer, weil »diese letzte Bande« doch tatsächlich die alte einfach mitgenommen habe. Er wiederholte, wenn Lee das Haus nicht wolle, werde er andere Mieter finden (als ob es nicht das ganze Jahr über leer gestanden hätte), dann lud er die Brüder ein, die Schlafzimmer zu besichtigen. Ich fragte mich, wie ihnen Rosettes Wandmalereien gefallen würden.
    Ich verlor ihre Stimmen, dann hörte ich sie wieder, als sie den Küchenbereich betraten. Ich freute mich, als ich sah, dass sie die Schiefe Lampe von Pisa keines Blickes würdigten.
    »… Keller?«, fragte Robert.
    »Kein Keller!«, antwortete Schlangenlederstiefel beinahe trompetend, als wäre der fehlende Keller ein Vorteil. Offenbar glaubte er das wirklich. »In dieser Gegend laufen alle bloß voll Wasser. Und die Feuchtigkeit, Gott!« Dann hörte ich wieder nichts mehr, als er die Hintertür öffnete und ihnen den Garten zeigte. Der allerdings kein Garten, sondern eine Brache war.
    Fünf Minuten später standen sie wieder vor dem Haus. Diesmal war es Robert, der ältere Bruder, der zu feilschen versuchte. Er hatte so wenig Erfolg wie Lee.
    »Lassen Sie uns eine Minute Zeit?«, fragte Robert.
    Schlangenlederstiefel sah auf seine klobige, chromglänzende Armbanduhr und willigte widerstrebend ein. »Aber ich hab ’nen Termin in der Church Street, also entscheidet euch bald, Leute.«
    Robert und Lee zogen sich in die Nähe des Chevrolets zurück, und obwohl sie leise sprachen, damit Schlangenlederstiefel nichts mitbekam, konnte ich das meiste hören, als ich die Schale in ihre Richtung drehte. Robert war dafür, noch einige weitere Häuser zu besichtigen. Lee sagte, er wolle dieses hier. Es sei für den Anfang genau richtig.
    »Lee, das ist ein Loch«, sagte Robert. »Dafür vergeudest du …« Dein Geld, vermutete ich.
    Lee antwortete etwas, was ich nicht mitbekam. Robert hob die Hände und seufzte, als würde er sich ergeben. Sie gingen zu Schlangenlederstiefel zurück, der Lee kurz die Hand schüttelte und ihm zu seiner klugen Entscheidung gratulierte. Dann setzte er zur Hausbesitzerlitanei an: zwei Monatsmieten, als Anzahlung und Kaution für Schäden. Hier mischte Robert sich ein und sagte, dass eine Kaution erst gezahlt werde, wenn die Wände repariert und die neue Matratze geliefert seien.
    »Neue Matratze, klar«, sagte Schlangenlederstiefel. »Und ich lass auch die Stufe richten, damit die kleine Frau sich nicht den Knöchel verstaucht. Aber wenn ich die Wände gleich richten soll, muss ich die Miete um fünf pro Monat raufsetzen.«
    Obwohl ich aus Als Notizen wusste, dass Lee das Haus mieten würde, erwartete ich fast, dass er diese empörende Forderung zurückwies. Stattdessen zog er eine schlaffe Geldbörse aus der Ge säßtasche und holte ein dünnes Bündel Scheine heraus. Von denen zählte er die meisten in die ausgestreckte Hand seines neuen Vermieters, während Robert, der angewidert den Kopf schüttelte, zu seinem Wagen zurückging. Sein Blick glitt kurz über mein Haus auf der anderen Straßenseite und wanderte dann desinteressiert weiter.
    Schlangenlederstiefel schüttelte Lee noch mal die Hand, dann sprang er in seinen Chrysler und fuhr in einer kleinen Staubwolke davon.
    Eines der Springseilmädchen kam auf einem verrosteten Roller herangeflitzt. »Ziehn Sie in Rosettes Haus ein, Mister?«, fragte sie Robert.
    »Nein, aber er«, sagte Robert und wies mit dem Daumen auf seinen Bruder.
    Sie schob den Roller zu Lee hinüber und fragte den Mann, der Jack Kennedy die rechte Kopfhälfte wegschießen würde, ob er Kinder habe.
    »Ich habe ein kleines Mädchen«, sagte Lee. Er legte beide Hände auf seine Knie, um auf Augenhöhe mit ihr sprechen zu können.
    »Ist sie hübsch?«
    »Nicht so hübsch wie du, auch nicht so groß.«
    »Kann sie seilspringen?«
    »Schätzchen, sie kann noch nicht mal laufen.«
    »Na, selbst schuld.« Sie rollerte zur Winscott Road davon.
    Die beiden Brüder wandten sich dem Haus zu. Das machte ihre Stimmen leiser, aber als ich die Lautstärke aufdrehte, bekam ich

Weitere Kostenlose Bücher