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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hin. Zweimal rief Miz Ellie an, um mit mir zu plaudern. Einmal war es Deke, der mich zum Abendessen einlud – eine Einladung, die ich dankbar annahm.
    Sadie rief nicht an.
    3
    Am 3. August bog ein 58er Chevrolet Bel Air in die miserable Einfahrt der Nummer 2703 ein. Ihm folgte ein frisch gewaschener Chrysler. Die Brüder Oswald stiegen aus dem Bel Air und blieben nebeneinander stehen, ohne sich zu unterhalten.
    Ich griff vorsichtig durch den Vorhang, um mein Fenster zur Straße hin hochzuschieben, wodurch ich Straßenlärm und einen matten Hauch von feuchtheißer Luft einließ. Dann lief ich ins Schlafzimmer und holte mein neues Gerät unter dem Bett hervor. Silent Mike hatte in den Boden einer Tupperware-Schale ein Loch geschnitten und das Richtmikrofon – das Beste auf dem Markt, wie er mir versicherte – so hineingeklebt, dass es wie ein Finger herausstand. Ich verband das Mikrofonkabel mit den Kontakten auf der Rückseite des Tonbandgeräts und zog die Schrauben fest an. Es gab auch eine Buchse für den Stecker des Kopfhörers, nach Auskunft meines Elektronikexperten ebenfalls ein erstklassiges Modell.
    Ich spähte durch den Vorhangspalt und sah die Oswalds mit dem Kerl aus dem Chrysler reden. Er trug einen Stetson, eine Rancherkrawatte und reich bestickte Stiefel. Besser angezogen als mein Hausherr, aber vom selben Stamm. Ich brauchte das Gespräch nicht zu belauschen; die Gesten des Mannes waren prototypisch. Ich weiß, es macht nicht viel her. Andererseits, Sie haben ja auch nicht viel. Stimmt doch, Partner, oder? Das musste für einen Weltreisenden wie Lee, der zu Ruhm bestimmt zu sein glaubte, wenn auch nicht unbedingt zu Reichtum, schwer verdauliche Kost sein .
    In die Fußbodenleiste war eine Steckdose eingelassen. Ich steckte das Bandgerät ein, das mir hoffentlich keinen Schlag versetzen oder die Sicherung durchbrennen lassen würde. Die kleine, rote Kontrollleuchte brannte. Ich setzte den Kopfhörer auf und schob die Tupperware-Schale durch den Vorhangspalt. Falls die Männer zu mir herübersahen, würden sie in die Sonne blinzeln müssen und in dem vom Dachüberhang beschatteten Fenster nichts oder nur einen unbestimmten hellen Fleck sehen, der alles Mögliche sein konnte. Trotzdem nahm ich mir vor, die Schale mit schwarzem Abdeckband zu bekleben. Vorsicht konnte nie schaden.
    Aber ich hörte nichts.
    Sogar der Straßenlärm klang gedämpft.
    Na wunderbar, dachte ich. Einfach brillant! Vielen Dank, Silent Mi…
    Dann sah ich, dass der Lautstärkeregler des Tonbandgeräts auf null stand. Ich drehte ihn ganz nach rechts, und prompt wurden meine Ohren von Stimmen fast zerbombt. Fluchend riss ich mir den Kopfhörer herunter, drehte dann den Knopf neben der Aufschrift VOL halb zurück und versuchte es noch einmal. Das Ergebnis war bemerkenswert. Als hätte ich ein Fernglas für die Ohren.
    »Sechzig pro Monat ist ein bisschen teuer, Sir«, sagte Lee Oswald gerade (bedachte man, dass die Templetons im Monat zehn Dollar weniger gezahlt hatten, musste man ihm zustimmen). Sein Ton war respektvoll, und er sprach mit nur angedeutetem Südstaatenakzent. »Wenn wir uns auf fünfundfünfzig einigen könnten …«
    »Ich respektiere einen Mann, der zu feilschen versucht, aber probieren Sie’s gar nicht erst«, sagte Schlangenlederstiefel. Er wippte auf den leicht erhöhten Absätzen wie jemand, der es eilig hatte. »Ich muss krieng, was ich krieng muss. Krieg ich’s nicht von Ihnen, krieg ich’s von wem andres.«
    Lee und Robert wechselten einen Blick.
    »Am besten gehen wir mal rein und sehen’s uns an«, sagte Lee.
    »Es ist ein gutes Objekt in einer Familienstraße«, sagte Schlangenlederstiefel. »Bisschen aufpassen auf der ersten Verandastufe, Leute, die braucht ’ne kleine Instandsetzung. Ich hab viele solcher Häuser, und die Mieter lassen sie bloß verkommen. Diese letzte Bande, Gott!«
    Vorsicht, Arschloch, dachte ich. Du sprichst von Ivys Familie.
    Sie gingen hinein. Ich verlor die Stimmen und hörte sie dann wieder – ziemlich schwach –, als Schlangenlederstiefel das Fenster zur Straße hinaus hochschob. Durch dieses Fenster könnten die Nachbarn von gegenüber in ihr Wohnzimmer sehen, hatte Ivy gesagt, und damit hatte sie hundertprozentig recht.
    Lee fragte, was sein potenzieller Vermieter wegen der Löcher in den Wänden zu tun gedenke. In seiner Frage lag keine Empörung, auch kein Sarkasmus, aber auch keine Unterwürfigkeit, ob wohl er an fast jeden Satz ein Sir anhängte. Diese

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