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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hinunter zur Benbrook Library und warf meinen Brief in den großen, blauen Briefkasten vor der Bibliothek. Mehr konnte ich im Augenblick nicht tun.
    2
    In Als Notizbuch waren drei Fotos eingeklebt, die er im Internet gefunden und ausgedruckt hatte. Eines zeigte George de Mohrenschildt in einem grauen Bankiersanzug mit weißem Ziertaschentuch in der Brusttasche. Seine Haare waren im Managerstil der damaligen Zeit aus der Stirn zurückgekämmt und ordentlich gescheitelt. Auf seinen vollen Lippen stand ein Lächeln, das mich an das Bett von Baby Bear aus der Sesamstraße erinnerte: nicht zu hart, nicht zu weich, genau richtig. Kein Anflug von dem wahrhaft Irren, den ich bald beobachten würde, wie er sich auf der Veranda des Hauses Mercedes Street 2703 das Hemd aufriss. Oder vielleicht doch ein Anflug. Etwas in den dunklen Augen. Eine gewisse Arroganz. Ein Anflug jenes beliebten Ihr-könnt-mich-mal-Blicks.
    Das zweite Foto zeigte das aus Bücherkartons erbaute, berüchtigte Schützennest im fünften Stock des Schulbuchlagers.
    Auf dem dritten Foto hielt der ganz in Schwarz gekleidete Oswald sein Gewehr aus dem Versandhandel in der einen und einige Linken-Zeitschriften in der anderen Hand. Der Revolver, mit dem er auf seiner vergeblichen Flucht den Streifenpolizisten J. D. Tippit aus Dallas erschießen würde – wenn ich ihn nicht daran hinderte –, steckte in Ozzies Gürtel. Diese Aufnahme von ihm würde Marina weniger als zwei Wochen vor dem Attentat auf General Walker machen. Aufgenommen wurde das Foto in dem schlecht einsehbaren Garten neben der West Neely Street 214 in Dallas, einem Haus mit zwei Wohnungen.
    Während ich darauf wartete, dass die Familie Oswald in Fort Worth in die Bruchbude gegenüber meiner einzog, besuchte ich die West Neely Street 214 öfter. Dallas war echt abgefuckt, wie meine Schüler im Jahr 2011 gesagt hätten, aber die West Neely Street lag in einem etwas besseren Viertel als die Mercedes Street. Auch dort stank es natürlich – im Jahr 1962 roch fast ganz Mitteltexas wie eine nicht richtig funktionierende Raffinerie –, aber nicht nach Abwasser und Scheiße. Die Straße hatte Schlaglöcher, aber sie war asphaltiert. Und es gab keine Hühner.
    Im ersten Stock von Nummer 214 wohnte im Augenblick ein junges Paar mit drei Kindern. Wenn es auszog, würden die Oswalds dort einziehen. Mich interessierte vor allem die Erdgeschosswohnung, denn sobald Lee, Marina und June oben einzogen, wollte ich unten wohnen.
    Im Juli 1962 wohnten im Erdgeschoss zwei Frauen und ein Mann. Die Frauen waren dick, bewegten sich träge und hatten eine Schwäche für zerknitterte, ärmellose Kittelschürzen. Eine war Mitte sechzig und hinkte beim Gehen stark. Die andere war Ende dreißig oder Anfang vierzig. Sie sahen sich so ähnlich, dass sie Mutter und Tochter sein mussten. Der zum Skelett abgemagerte Mann saß im Rollstuhl. Das schüttere Haar umgab seinen Kopf wie eine weiße Wolke. In seinem Schoß lag ein an einen dicken Katheder angeschlossener Beutel mit trübem Urin. Er rauchte ständig, wozu er den an eine Armlehne des Rollstuhls geschraubten Aschenbecher benutzte. In jenem Sommer sah ich ihn in stets gleicher Aufmachung: Baseballshorts aus rotem Satin, die seine mageren Schenkel bis fast zum Schritt sehen ließen, ein Unterhemd fast im selben Gelb wie der Urinschlauch, von Klebeband zusammengehaltene Turnschuhe und ein großer, schwarzer Cowboyhut mit einem Hutband, das aus Schlangenleder zu sein schien. Vorn auf dem Hut prangten zwei gekreuzte Kavalleriesäbel. Seine Frau oder seine Tochter schob ihn auf den Rasen, auf dem er zusammengesunken und still wie eine Statue unter einem Baum saß. Ich begann ihm zuzuwinken, wenn ich langsam vorbeifuhr, aber er hob nie die Hand, obwohl er meinen Wagen offenbar erkannte. Vielleicht fürchtete er sich davor, mein Winken zu erwidern. Vielleicht glaubte er, dass er vom Todesengel begutachtet wurde, der in Dallas seine Runden statt auf dem Rücken eines Rappen am Steuer eines alten Ford-Cabrios drehte. In gewisser Weise war ich das wohl auch.
    Die drei sahen aus, als wohnten sie schon länger dort. Würden sie nächstes Jahr, wenn ich die Wohnung brauchte, noch da sein? Ich wusste es nicht. In Als Notizen stand nichts über sie. Vorläufig konnte ich sie nur beobachten und abwarten.
    Ich holte mein neues Gerät ab, das Silent Mike für mich zusammengebaut hatte. Ich wartete darauf, dass mein Telefon klingelte. Das tat es dreimal, und ich lief jedes Mal hoffnungsvoll

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