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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ließ den Behälter fallen und bückte sich dann, um ihn aufzuheben.
    Das wird seine Laune verbessern, dachte ich.
    Er ging hinein. Ich beobachtete, wie er durchs Wohnzimmer ging und seinen Essensbehälter auf die Arbeitsplatte in der Küche stellte. Als er sich umdrehte, sah er den neuen Hochstuhl. Offenbar kannte er den Modus operandi seiner Mutter, denn als Nächstes öffnete er den rostigen Kühlschrank. Er sah noch hinein, als Marina aus dem Zimmer des Babys kam. Sie hatte eine Windel über der Schulter, und mein Fernglas war so gut, dass ich etwas Babykotze darauf erkennen konnte.
    Als sie ihn lächelnd ansprach, drehte er sich zu ihr um. Er hatte die helle Haut, die der Fluch aller war, die leicht erröteten, und sein finsteres Gesicht war bis zu seinen schütter werdenden Haaren hinauf hellrot angelaufen. Er begann sie anzubrüllen und zeigte dabei anklagend auf den Kühlschrank (aus dessen noch immer offener Tür Dampfschwaden austraten). Sie wandte sich ab, um in Junes Zimmer zurückzugehen. Er packte sie an der Schulter, riss sie herum und begann sie zu schütteln. Ihr Kopf flog vor und zurück.
    Ich wollte das nicht beobachten, und es gab auch keinen Grund dafür. Es trug nichts zu dem bei, was ich wissen musste. Er schlug seine Frau, ja, aber sie würde ihn überleben, was mehr war, als John F. Kennedy von sich sagen konnte … oder, was das betraf, Streifenpolizist Tippit. Also brauchte ich mir das nicht anzusehen. Aber manchmal konnte man eben nicht wegsehen.
    Sie stritten sich, wobei Marina zweifellos zu erklären versuchte, dass sie gar nicht wisse, wie Marguerite sie aufgespürt habe, und dass sie »Mamotschka« nicht habe daran hindern können, das Haus zu betreten. Und natürlich schlug Lee sie schließlich ins Gesicht, weil er seine Mama nicht schlagen konnte. Auch wenn sie da gewesen wäre, hätte er es nicht geschafft, eine Hand gegen sie zu erheben.
    Marina schrie auf. Er ließ sie los. Sie redete mit ausgestreckten Händen leidenschaftlich auf ihn ein. Er versuchte eine zu ergreifen, aber sie schlug seine Hand beiseite. Dann hob sie die Hände gen Himmel, ließ sie wieder fallen und ging zur Haustür hinaus. Lee schien ihr folgen zu wollen, tat es dann aber doch nicht. Die Brüder hatten zwei schäbige Gartensessel auf die Veranda gestellt. Marina ließ sich in einen davon sinken. Sie hatte eine aufgeschürfte Stelle unter dem linken Auge, und die Wange schwoll bereits an. Sie starrte auf die Straße hinaus und über sie hinweg. Mich durchzuckte schuldbewusste Angst, obwohl in meinem Wohnzimmer kein Licht brannte und ich wusste, dass sie mich nicht sehen konnte. Ich achtete jedoch darauf, mit an die Augen gepresstem Fernglas unbeweglich zu verharren.
    Lee setzte sich an den Küchentisch und stützte den Kopf in die Hände. So blieb er einige Zeit sitzen, dann hörte er etwas und ging in das kleinere der beiden Schlafzimmer. Er kam mit June auf dem Arm wieder heraus, ging im Wohnzimmer mit ihr auf und ab, rieb ihr den Rücken und beruhigte sie. Marina ging wieder hinein. June sah sie und streckte ihre pummeligen Arme nach ihr aus. Marina trat auf sie zu, und Lee gab ihr das Baby. Dann umarmte er sie schnell, bevor sie zurücktreten konnte. Sie stand einen Augenblick lang unbeweglich in seiner Umarmung da, dann nahm sie die Kleine auf einen Arm, damit sie mit dem anderen Lees Umarmung erwidern konnte. Sein Mund war in ihren Haaren vergraben, und ich glaubte zu wissen, was er sagte: die russischen Worte für Es tut mir leid. Ich bezweifelte nicht, dass er es ernst meinte. Auch nächstes Mal würde es ihm leidtun. Und übernächstes Mal.
    Marina ging mit June in Rosettes ehemaliges Zimmer zurück. Lee blieb noch einen Augenblick stehen, dann trat er an den Kühlschrank, nahm etwas heraus und begann es zu essen.
    7
    Spät am folgenden Tag, als Lee und Marina sich gerade zum Abendessen setzten (June lag strampelnd auf einer Decke auf dem Wohnzimmerboden), kam Marguerite von der Bushaltestelle Winscott Road die Straße entlanggekeucht. An diesem Abend trug sie eine weite blaue Hose – eine unglückliche Wahl, wenn man bedachte, wie breit ihr Hintern war. Sie schleppte eine große Stofftasche, aus der oben das rote Plastikdach einer Puppenstube ragte. Sie ging die Verandastufen hinauf (wobei sie die defekte Stufe wieder geschickt mied) und marschierte, ohne anzuklopfen, ins Haus.
    Ich kämpfte gegen die Versuchung an, mein Richtmikrofon zu holen – es war eine weitere Szene, die mich nichts anging

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