Der Anschlag - King, S: Anschlag
nachgestellt. Das Personal der Denholm Consolidated High School war gewarnt gewesen, und Direktorin Ellen Dockerty hatte sich ein Foto von Clayton beschafft, aber der Täter hatte sein Aussehen stark verändert.
Miss Dunhill wurde mit einem Krankenwagen ins Parkland Memorial Hospital in Dallas gebracht, wo die Ärzte ihren Zustand als stabil bezeichnen.
2
Ich durfte sie erst am Samstag besuchen. Die Zeit bis dahin verbrachte ich hauptsächlich im Wartezimmer – mit einem Buch, das ich einfach nicht lesen konnte. Aber das war in Ordnung, denn ich hatte reichlich Gesellschaft: Die meisten DCHS -Lehrer kamen ebenso vorbei, um sich nach Sadies Zustand zu erkundigen, wie fast hundert Schüler, wobei die ohne Führerschein von ihren Eltern nach Dallas gebracht wurden. Einige spendeten sogar Blut, um die Mengen zu ersetzen, die Sadie verloren hatte. Meine Aktentasche quoll bald über von gedruckten und handschriftlichen Genesungswünschen. Die vielen abgegebenen Blumen ließen das Stationszimmer wie ein Treibhaus aussehen.
Obwohl ich glaubte, das Leben in der Vergangenheit gewohnt zu sein, was überwiegend zutraf, schockierte mich Sadies Zimmer im Parkland, als ich endlich zu ihr vorgelassen wurde. Es war ein überheiztes Einzelzimmer, kaum größer als ein begehbarer Kleiderschrank. Eine Toilette gab es nicht; in einer Ecke stand ein hässliches Klosett, auf dem nur ein Zwerg hätte bequem sitzen können, mit einem halb durchsichtigen Plastikvorhang davor, den man zuziehen konnte (für eine halbe Privatsphäre). Statt elektrischer Verstellung des Kopfteils durch Tasten gab es eine Handkurbel, deren weißer Lack von zahllosen Händen abgewetzt war. Natürlich standen dort keine Monitore, auf denen von Computern generierte Lebensfunktionen dargestellt waren, und auch kein Patientenfernseher.
An einem verchromten Ständer hing eine einzelne Glasflasche, die wahrscheinlich Kochsalzlösung enthielt. Von ihr führte ein dünner Schlauch zu Sadies linkem Handrücken, auf dem er unter einem dicken Pflaster verschwand.
Noch viel dicker war jedoch der Verband, der ihre linke Gesichtshälfte bedeckte. Auf dieser Seite war ein Büschel Haare abgeschnitten worden, was dem Gesicht einen schiefen, übel zugerichteten Ausdruck verlieh … und sie war natürlich übel zugerichtet worden. Die Ärzte hatten nur einen winzigen Schlitz für ihr Auge frei gelassen. Als sie meine Schritte hörte, öffneten sich dieses und das rechte Auge mit flatternden Lidern, und obwohl Sadie von Schmerzmitteln benommen war, flackerte in ihrem Blick kurzzeitig ein Entsetzen auf, das mir ans Herz griff.
Dann drehte sie ihr Gesicht matt zur Wand.
»Sadie … ich bin’s, Schatz.«
»Hi, ich«, sagte sie, ohne sich mir zuzuwenden.
Als ich ihre nicht von dem Nachthemd bedeckte Schulter berührte, wich sie zurück. »Sieh mich bitte nicht an.«
»Sadie, dein Aussehen ist unwichtig.«
Sie wandte sich mir wieder zu. Traurige, von Morphium trübe Augen, von denen eines aus einem von Verbandmull umgebenen Guckloch spähte, betrachteten mich. Durch den Verband sickerte ein hässlicher, gelbroter Fleck. Blut und irgendeine Salbe, wie ich vermutete.
»Es ist wichtig«, sagte sie. »Das hier ist etwas anderes als Bobbi Jills Verletzung.« Sie versuchte zu lächeln. »Du weißt, wie ein Baseball aussieht, all die roten Stiche? So sieht Sadie jetzt aus. Sie verlaufen nach oben und unten und rings herum.«
»Sie verblassen wieder.«
»Du hast ja keine Ahnung. Er hat meine Wange bis in den Mund durchschnitten.«
»Aber du lebst. Und ich liebe dich.«
»Das wirst du nicht mehr tun, wenn ich keinen Verband mehr trage«, sagte sie mit ihrer matten, hörbar betäubten Stimme. »Im Vergleich zu mir sieht Frankensteins Braut wie Liz Taylor aus.«
Ich ergriff ihre Hand. »Ich habe mal etwas gelesen …«
»Ich glaube nicht, dass ich einer literarischen Diskussion gewachsen bin, Jake.«
Sie wollte sich wieder wegdrehen, aber ich hielt ihre Hand fest. »Es war ein japanisches Sprichwort. ›Wenn man liebt, sind Pockennarben so hübsch wie Grübchen.‹ Ich werde dein Gesicht lieben, ganz gleich wie es aussieht. Weil es deines ist.«
Sie begann zu weinen, und ich hielt sie umarmt, bis sie sich beruhigte. Ich dachte sogar, sie wäre eingeschlafen, als sie plötzlich sagte: »Ich weiß, dass alles meine Schuld ist, ich hab ihn geheiratet, aber …«
»Es ist nicht deine Schuld, Sadie, das konntest du doch nicht ahnen.«
»Ich hab gewusst, dass irgendwas mit ihm
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