Der Anschlag - King, S: Anschlag
hat, möchte ich Ihnen einen guten Rat geben, meine Gnädigste. Er kommt direkt aus meinem Herzen. Ich liebe diese Frau, und mit einem Mann, der liebt, sollte man sich nicht anlegen. Sollten Sie sich dennoch in meine Angelegenheiten – oder Sadies – einmischen, tue ich mein Bestes, um aus Ihnen die jämmerlichste hochnäsige Schlampe in ganz Texas zu machen. Das verspreche ich Ihnen hiermit feierlich.«
Sie rannte zum Parkplatz. Und zwar so unbeholfen wie jemand, der sich seit Langem nicht mehr schneller als gravitätisch schrei tend fortbewegt hatte. Mit ihrem braunen, wadenlangen Rock, der undurchsichtigen, hautfarbenen Strumpfhose und ihrem vernünftigen, braunen Schuhwerk verkörperte sie den Zeitgeist. Ihre Haare lösten sich aus dem Nackenknoten. Früher hatte sie sie bestimmt offen getragen, wie Männer es an Frauen am liebsten sahen, aber diese Zeit lag lange zurück.
»Und schönen Tag noch!«, rief ich ihr nach.
7
Sadie kam in die Küche, als ich gerade die Einkäufe im Kühlschrank verstaute. »Du warst lange weg. Ich hab schon angefangen, mir Sorgen zu machen.«
»Ich bin aufgehalten worden. Du weißt ja, wie es in Jodie ist. Irgendjemand hat immer Zeit für ein Schwätzchen.«
Sie lächelte. Das Lächeln fiel ihr schon etwas leichter. »Du bist ein süßer Kerl.«
Ich bedankte mich und erklärte ihr, sie wiederum sei ein süßes Mädchen. Ich fragte mich, ob die Caltrop mit Fred Miller, dem zweiten selbst ernannten Tugendwächter im Schulausschuss, reden würde. Wohl eher nicht. Ich wusste nicht nur von ihrem jugendlichen Fehltritt, sondern hatte es darauf angelegt, ihr Angst einzujagen. Das hatte bei de Mohrenschildt funktioniert, und es hatte bei ihr gewirkt. Leute zu ängstigen war dreckige Arbeit, aber irgendjemand musste sie nun einmal tun.
Sadie kam durch die Küche und legte einen Arm um mich. »Was hältst du von einem Wochenende in den Candlewood Bungalows, bevor die Schule beginnt? Genau wie in den guten alten Zeiten? Das ist wohl ziemlich dreist von Sadie, was?«
»Na ja, kommt darauf an.« Ich schloss sie in die Arme. »Reden wir von einem schmutzigen Wochenende?«
Sie errötete. Außer in der Umgebung der Narbe; dort blieb die Haut weiß und glänzend. »Totaal schmuutzig, Señor.«
»Dann am besten so früh wie möglich.«
8
Es wurde kein wirklich schmutziges Wochenende, außer man hing dem Glauben an – wie es die Jessica Caltrops der Welt zu tun schienen –, dass körperliche Liebe prinzipiell schmutzig war. Wahr ist, dass wir große Teile des Wochenendes im Bett verbrachten. Aber wir hielten uns auch viel im Freien auf. Sadie war eine unermüdliche Wandererin, und dem Hügel hinter dem Candlewood war eine riesige Wiese mit unzähligen Spätsommerblumen. Dort verbrachten wir den größten Teil des Samstagnachmittags. Sadie konnte einige der Blumen bestimmen – Kerzen-Palmlilie, Stachelmohn und etwas, was sie als Yucca-Knöterich bezeichnete –, aber bei allen anderen konnte sie nur den Kopf schütteln und sich über sie beugen, um zu riechen, welchen Duft sie auch immer ausströmten. Unter mächtigen weißen Kumuli, die durch den hohen texanischen Himmel segelten, gingen wir Hand in Hand durch das kniehohe Gras. Lange Streifen aus Licht und Schatten glitten über die Landschaft. An diesem Tag wehte eine kühle Brise, und hier gab es keinen Raffineriegestank. Oben auf dem Hügel blieben wir stehen und sahen uns um. Auf der mit Bäumen gesprenkelten Prärie wirkten die Bungalows klein und unbedeutend. Die Straße war ein schmales Band.
Sadie setzte sich, zog die Knie unters Kinn hoch und umschlang ihre Beine mit den Armen. Ich setzte mich neben sie.
»Ich möchte dich etwas fragen«, sagte sie.
»Schieß los.«
»Es geht nicht darum … du weißt schon, woher du kommst … Das ist mehr, als ich im Augenblick gedanklich bewältigen könnte. Mir geht es um den Mann, wegen dem du hergekommen bist, um ihn aufzuhalten. Den Mann, der den Präsidenten ermorden wird, wie du sagst.«
Ich überlegte. »Heikles Thema, Schatz. Erinnerst du dich, dass ich davon gesprochen habe, dass ich mich in der Nähe einer großen Maschine mit scharfen Zähnen aufhalte?«
»Ja …«
»Ich hab dir gesagt, dass ich dich nicht in ihre Nähe lassen werde, solange ich daran herumpfusche. Ich habe schon mehr erzählt, als ich wollte, und vermutlich auch mehr, als ich dürfte. Weil die Vergangenheit nicht verändert werden will. Sie setzt sich zur Wehr, wenn man’s versucht. Und je größer die
Weitere Kostenlose Bücher