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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Finger in den Mund und pfiff gellend. »He, Biermann!«
    Der Biermann in Weste, Cowboyhut und Concho-Gürtel verkaufte uns zwei Flaschen Lone Star (Glas, nicht Kunststoff) mit über die Hälse gestülpten Pappbechern. Ich gab ihm einen Dollar und sagte, der Rest sei für ihn.
    Sadie nahm ihr Bier, stieß mit mir an und sagte: »Viel Glück, Jake.«
    »Wenn ich darauf angewiesen wäre, säße ich echt in der Scheiße.«
    Sie zündete sich eine Zigarette an und blies ihren Rauch in die blauen Schwaden, die bereits um alle Scheinwerfer waberten. Ich saß rechts neben ihr, und aus diesem Blickwinkel sah sie perfekt aus.
    Ich tippte ihr auf die Schulter, und als sie sich mir zuwandte, küsste ich sie auf ihre leicht geöffneten Lippen. »Kleines«, sagte ich. »Uns bleibt immer noch Paris.«
    Sadie lachte. »Vielleicht das in Texas.«
    Die Menge stöhnte auf. Eben hatte der schwarze Boxer den weißen niedergeschlagen.
    10
    Der Hauptkampf begann um halb zehn. Nahaufnahmen der Boxer füllten die Leinwände, und als die Kamera Tom Case zeigte, rutschte mir das Herz in die Hose. Sein lockiges, schwarzes Haar war unübersehbar grau meliert. Er hatte fast schon Hängebacken. Sein Bauch quoll wabbelig über den Bund seiner Boxerhose. Das Schlimmste waren jedoch seine irgendwie verwirrten Augen, die aus schweren Tränensäcken mit Narbengewebe starrten. Er schien nicht recht zu wissen, wo er eigentlich war. Die meisten der ungefähr fünfzehnhundert Zuschauer jubelten ihm zu – schließlich war Tom Case von hier –, aber ich hörte auch einen kräftigen Chor von Buhrufern. Wie er zusammengesunken in seiner Ecke hockte und sich mit den behandschuhten Fäusten an den Seilen festhielt, sah er aus, als hätte er bereits verloren. Dick Tiger dagegen war auf den Beinen, übte sich im Schattenboxen und tänzelte flink auf schwarzen Boxerstiefeln umher.
    Sadie beugte sich zu mir herüber und flüsterte: »Sieht nicht so gut aus, Schatz.«
    Das war die Untertreibung des Jahrhunderts. Es sah grässlich aus.
    Unten vor uns (wo die Leinwand einer drohend aufragenden Felsklippe gleichen musste, auf der sich verschwommene Gestalten bewegten) sah ich Akiva Roth eine Mieze mit Nerzstola und Garbo-Brille zu einem Platz geleiten, der bei einem echten Boxkampf ein Ringsitz gewesen wäre. Der Zigarre rauchende dickliche Mann vor Sadie und mir drehte sich um und fragte: »Auf wen wetten Sie, schönes Kind?«
    »Case!«, sagte Sadie tapfer.
    Der dickliche Zigarrenraucher lachte. »Na, Sie sind ja ganz schön zuversichtlich. Wollen Sie einen Zehner darauf setzen?«
    »Bieten Sie mir vier zu eins? Wenn Case ihn ausknockt?«
    »Wenn Case den Tiger ausknockt? Lady, die Wette gilt.« Der Mann streckte die Hand aus. Sadie schlug ein. Dann wandte sie sich mir mit einem trotzigen kleinen Lächeln zu, das um ihren unversehrten Mundwinkel spielte.
    »Ziemlich mutig«, sagte ich.
    »Von wegen«, sagte sie. »Tiger geht in der Fünften k. o. Ich kann in die Zukunft sehen.«
    11
    Der Ringsprecher, der einen Smoking und ein Pfund Brillantine trug, trabte in die Ringmitte, zog ein Mikrofon an einem silbernen Kabel herunter und machte mit der rollenden Stimme eines Jahrmarktschreiers die Angaben zu den Boxern. Die Nationalhymne wurde gespielt; Männer rissen sich den Hut vom Kopf und legten die Rechte aufs Herz. Ich konnte spüren, wie mein eigenes Herz jagte: Ich hatte mindestens einen Puls von hundertzwanzig, wahrscheinlich mehr. Obwohl die Sporthalle klimatisiert war, lief mir Schweiß über den Rücken, und ich hatte nasse Achselhöhlen.
    Ein Mädchen in einem trägerlosen Badeanzug stöckelte auf High Heels durch den Ring und hielt eine Tafel mit der großen Ziffer 1 hoch.
    Der Gong ertönte. Tom Case schlurfte mit resigniertem Gesichtsausdruck in den Ring. Dick Tiger tänzelte ihm ungeduldig entgegen, täuschte mit der Rechten an und ließ einen trockenen linken Haken folgen, der Case exakt zwölf Sekunden nach Kampfbeginn auf die Bretter schickte. Das Publikum – das hiesige und das im Garden, zweitausend Meilen von hier – stöhnte angewidert auf. Sadies Hand, die auf meinem Oberschenkel lag, schien Krallen zu bekommen, als sie sich anspannte und sich in mein Fleisch grub.
    »Sagen Sie Ihrem Zehner, dass er seinen Freunden Adieu sagen soll, schönes Kind«, sagte der dickliche Zigarrenraucher vergnügt.
    Scheiße, Al, was hast du dir dabei gedacht?
    Dick Tiger zog sich in seine Ecke zurück und wippte dort nonchalant auf den Fußballen, während der

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