Der Anschlag - King, S: Anschlag
geworden, aber wir waren beide zu aufgeregt, um schlafen zu können. Wir liebten uns, dann saßen wir in unserer Unterwäsche in der Küche und naschten Kuchen.
»Und?«, sagte ich. »Was denkst du?«
»Dass ich nie wieder zu einem Boxkampf gehen werde. Das war reine Blutgier. Und ich war auf den Beinen und habe geschrien wie die anderen. Sekundenlang – vielleicht sogar eine volle Minute lang – wollte ich, dass Case diesen angeberhaft tänzelnden Dandy totschlägt. Und danach konnte ich es kaum erwarten, hierher zurückzukommen und mit dir ins Bett zu springen. Das vorhin hatte nichts mit Liebe zu tun, Jake. Ich habe gebrannt .«
Ich schwieg. Manchmal gab es nichts zu sagen.
Sie griff über den Tisch, klaubte einen Kuchenkrümel von meinem Kinn und steckte ihn mir in den Mund. »Sag mir, dass es nicht Hass ist.«
»Was denn?«
»Der Grund dafür, dass du glaubst, diesen Mann aufhalten zu müssen.« Sie sah, dass ich den Mund öffnen wollte, und hob abwehrend eine Hand. »Ich habe alles gehört, was du über deine Gründe gesagt hast, aber du musst mir versichern, dass es wirklich nur um sie geht – und nicht etwa um das, was ich nach dem Tiefschlag in Case’ Augen gesehen habe. Ich kann dich lieben, wenn du ein Mann bist, und ich kann dich lieben, wenn du ein Held bist – obwohl mir das aus irgendeinem Grund viel schwieriger vorkommt –, aber ich glaube nicht, dass ich ein Mitglied einer Bürgerwehr lieben könnte.«
Ich dachte daran, wie Lee seine Frau ansah, wenn er nicht gerade zornig auf sie war. Ich erinnerte mich an die von mir belauschte Unterhaltung, als er mit seiner kleinen Tochter gebadet hatte. Ich dachte an seine Tränen auf dem Busbahnhof, als er June auf dem Arm gehalten und unter dem Kinn gekrault hatte, bevor er in den Greyhound nach New Orleans gestiegen war.
»Es ist nicht Hass«, sagte ich. »Wenn ich an ihn denke, empfinde ich …«
Ich brachte den Satz nicht zu Ende. Sie beobachtete mich unverwandt.
»Bedauern wegen eines vergeudeten Lebens. Aber man kann auch Mitleid mit einem guten Hund haben, der tollwütig wird. Das hindert einen nicht daran, ihn zu erschießen.«
Sie sah mir in die Augen. »Ich will dich noch mal. Aber diesmal sollte es aus Liebe sein. Nicht, weil wir eben gesehen haben, wie zwei Kerle sich bis zur Erschöpfung prügeln und unser Mann als Sieger aus dem Ring geht.«
»Okay«, sagte ich. »Okay, das ist gut.«
Und das war es.
13
»Sieh einer an«, sagte Frank Fratis Tochter, als ich an diesem Freitag gegen Mittag das Pfandhaus betrat. »Der Box-Swami mit dem Neuenglandakzent.« Sie bedachte mich mit einem eisigen Lächeln, dann sah sie sich um und rief: » Da-ad! Dein Tom-Case-Mann ist da!«
Frati kam aus seinem Büro geschlurft. »Oh, hallo, Mr. Amberson«, sagte er. »Lebensgroß und gut aussehend wie Satan an einem Samstagabend. Ich möchte wetten, dass Sie sich heute ziemlich clever vorkommen.«
»Klar«, sagte ich. »Kein Wunder: Ich hab schließlich grad ’nen Glückstreffer gelandet.«
»Den leider ich einstecken musste.« Er zog einen braunen Umschlag, der nicht ganz Standardformat hatte, aus der Hüfttasche seiner ausladenden Gabardinehose. »Zwei Mille. Sie können sie ruhig nachzählen.«
»Danke, nicht nötig«, sagte ich. »Ich vertraue Ihnen.«
Er tat so, als wollte er mir den Umschlag geben, dann zog er ihn wieder zurück und tippte sich damit ans Kinn. Seine klugen, verblassten Augen musterten mich prüfend. »Sie hätten nicht Lust, Ihren Gewinn wieder zu setzen? Die Footballsaison beginnt bald – und die World Series ebenfalls.«
»Von Football verstehe ich nichts, und ein Duell zwischen Yankees und Dodgers interessiert mich nicht sonderlich. Geben Sie her.«
Er gab mir das Geld.
»War mir ein Vergnügen«, sagte ich und ging hinaus. Ich konnte spüren, wie mir ihre Blicke folgten, und hatte wieder dieses inzwischen sehr unangenehme Déjà-vu-Gefühl. Allerdings konnte ich seinen Ursprung nicht ermitteln. Ich stieg ins Auto und hoffte, dass ich nie nach Fort Worth zurückkehren musste. Oder in die Greenville Avenue in Dallas. Oder noch einmal bei einem Buchmacher namens Frati wetten.
Das waren meine drei Wünsche, und mir wurden alle erfüllt.
14
Mein nächstes Ziel war die West Neely Street 214. Ich hatte den Hausbesitzer angerufen und ihm gesagt, dass der August mein letzter Monat sein würde. Er hatte versucht, mich umzustimmen, und mir erklärt, gute Mieter wie ich seien schwer zu finden. Das stimmte vermutlich –
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