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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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rechten Aufwärtshaken gegen den Kopf des Älteren. Case schaffte es gerade noch, so weit zurückzuweichen, dass er ihn nicht voll aufs Kinn bekam, aber seine Backe wurde getroffen. Die Wucht des Schlages verzerrte sein Gesicht zu einer Geisterbahnfratze. Er torkelte rückwärts. Tiger griff weiter an. Die Menge war wieder aufgesprungen und wollte Blut sehen. Auch wir waren auf den Beinen. Sadie hielt sich die Hände vor den Mund.
    Tiger hatte Case in eine der neutralen Ecken gedrängt und hämmerte mit Linken und Rechten auf ihn ein. Ich konnte sehen, wie Case in sich zusammensackte; ich konnte sehen, wie die Lichter in seinen Augen trüber wurden. Noch ein linker Haken – oder diese Vorschlaghammer-Rechte –, dann würden sie ausgehen.
    » LEG IHN FLACH! «, brüllte der rundliche Zigarrenraucher. » LEG IHN FLACH, DICKY! HAU IHM DIE RÜBE WEG! «
    Tiger traf ihn tief, deutlich unter der Gürtellinie. Vermutlich nicht aus Absicht, aber der Ringrichter griff ein. Während er Tiger wegen des Tiefschlags verwarnte, beobachtete ich Case, um zu sehen, wie er diese Verschnaufpause nutzen würde. Auf seinem Gesicht erschien etwas, was mir vertraut war. Diesen Ausdruck hatte ich auf Lees Gesicht gesehen, und zwar an dem Tag, an dem er Marina wegen des Reißverschlusses an ihrem Rock die Hölle heißgemacht hatte. Der Ausdruck war erschienen, als Marina sich mit dem Vorwurf, er habe sie und das Baby in einem Schweinstall untergebracht, revanchiert und ihm dabei einen Vogel gezeigt hatte.
    Plötzlich war Schluss mit Tom Case’ Rolle als hilfloses Opfer.
    Der Ringrichter gab den Ring frei. Tiger griff sofort wieder an, aber diesmal trat Case ihm entgegen. Was in den folgenden zwanzig Sekunden geschah, gehörte zu den packendsten, schrecklichsten Dingen, die ich je als Zuschauer erlebt habe. Die beiden standen sich einfach auf Armeslänge gegenüber und schlugen aufeinander ein: ins Gesicht, auf Brust und Schultern, in den Magen. Es gab keine Finten, kein Ausweichen, keine raffinierte Fußarbeit. Die beiden glichen Bullen auf der Weide. Case erlitt einen Nasenbeinbruch, der stark blutete. Tigers Unterlippe wurde gegen die Zähne gequetscht und platzte auf; Blut lief ihm links und rechts übers Kinn und ließ ihn wie einen Vampir nach einem Festmahl aussehen.
    Alle Zuschauer in der Sporthalle waren aufgesprungen und brüllten laut. Sadie hüpfte auf und ab. Der Filzhut fiel ihr vom Kopf und entblößte die mit Narben bedeckte Wange. Sie achtete nicht darauf. Das tat auch sonst niemand. Auf den Großleinwänden war der Dritte Weltkrieg in vollem Gange.
    Bei der nächsten Bazooka-Rechten senkte Case den Kopf, und ich sah, wie Tiger das Gesicht verzog, als seine Faust gegen harten Knochen prallte. Er wich einen Schritt zurück, und Case brachte einen gewaltigen Aufwärtshaken an. Tiger drehte den Kopf zur Seite und schwächte die Wirkung ab, doch dabei verlor er seinen Mundschutz, der anschließend über die Ringmatte rollte.
    Case rückte nach und brachte wilde linke und rechte Schwinger an. Darin steckte keinerlei Finesse, nur rohe, wütende Kraft. Tiger wich weiter zurück, stolperte über die eigenen Beine und ging zu Boden. Case stand über ihm und schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte … oder vielleicht auch, wo er überhaupt war. Dann merkte er, dass sein Trainer ihm hektisch Zeichen gab, und schlurfte in seine Ecke zurück. Der Ringrichter begann zu zählen.
    Bei vier stützte Tiger sich auf ein Knie. Bei sechs war er wieder auf den Beinen. Nachdem der Ringrichter wie vorgeschrieben bis acht gezählt hatte, ging der Kampf weiter. Ich sah auf die große Uhr rechts oben auf der Leinwand und stellte fest, dass diese Runde noch fünfzehn Sekunden dauern würde.
    Nicht lange genug, die Zeit reicht nicht.
    Case stampfte vorwärts. Tiger schlug seinen vernichtenden linken Haken. Case konnte ausweichen, und als der Haken ins Leere ging, brachte er seine Rechte an. Diesmal verzerrte sich Tigers Gesicht, und als er zu Boden ging, stand er nicht mehr auf.
    Der dickliche Mann betrachtete die zerkauten Reste seiner Zigarre, dann ließ er sie angewidert fallen. »Verdammt, da kommen ja sogar Jesus die Tränen!«
    »Ja!«, sagte Sadie vergnügt und brachte den Filzhut wieder in seine lässig schräge Position. »Und er flennt auf einen Stapel Blaubeerpfannkuchen, und seine Jünger sagen, sie hätten nie bessere gegessen! Jetzt raus mit der Kohle!«
    12
    Bis wir nach Jodie zurückkamen, war aus dem 29. August der 30. August

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