Der Anschlag - King, S: Anschlag
Laidlaw.‹
Er schüttelt sie und sagt dabei: ›Andy Cullum.‹ Also war er’s. Nach all den Mühen auf der Fahrt nach Durham konnte ich das kaum glauben. Es war ein Gefühl, als hätte ich in der Lotterie gewonnen. Wir haben den Baum gemeinsam von der Fahrbahn gezogen. Als wir fertig waren, hab ich mich an den Straßenrand gesetzt und mir ans Herz gefasst. Er wollte wissen, ob mit mir alles in Ordnung war. ›Tja, das weiß ich nicht‹, sage ich. ›Ich hab noch keinen Herzanfall gehabt, aber das hier fühlt sich echt wie einer an.‹ Deshalb konnte Mr. Andy Cullum an diesem Novembernachmittag nicht auf die Jagd gehen, Jake, und hat folglich auch kein kleines Mädchen angeschossen. Er war damit beschäftigt, den armen alten Bill Laidlaw ins Central Maine General in Lewiston zu fahren.«
»Du hast es geschafft? Du hast es wirklich geschafft?«
»Darauf kannst du Gift nehmen. Im Krankenhaus habe ich behauptet, zum Lunch einen Hero-Sandwich gegessen zu haben – damals noch als italienischer Sandwich bezeichnet –, und die Diagnose lautete: akute Verdauungsstörungen. Ich hab fünfundzwanzig Dollar in bar gelöhnt und wurde entlassen. Cullum, der gewartet hatte, hat mich zu meinem Leihwagen zurückgefahren. War das nicht echte Nachbarschaftshilfe? Ich bin noch am selben Abend ins Jahr 2011 zurückgekehrt … wo inzwischen natürlich nur zwei Minuten vergangen waren. Von solchem Scheiß kann man einen Jetlag bekommen, ohne je in einem Flugzeug gewesen zu sein.
Mein erstes Ziel war die Stadtbücherei, in der ich mir den Bericht über die Abschlussfeier der Highschool im Jahr 1965 noch mal angesehen habe. Zuvor hatte die Enterprise ihn mit einem Foto von Carolyn Poulin illustriert. Der damalige Direktor – Earl Higgins, der nun schon lange tot ist – hat sich über sie gebeugt, um ihr das Diplom zu überreichen, während sie mit Talar und quadratischem Barett angetan im Rollstuhl saß. Die Bildunterschrift lautete: Carolyn Poulin erreicht wichtiges Etappenziel auf ihrem langen Weg zur Genesung. «
»War er noch da?«
»Der Bericht über die Abschlussfeier? Aber natürlich! Kleinstadtzeitungen bringen solche Berichte immer auf Seite eins, Kumpel. Aber als ich aus dem Jahr 1958 zurückkam, zeigte das dazugehörige Foto einen Jungen mit einer etwas eigentümlichen Beatles-Frisur am Rednerpult, und darunter stand: Trevor ›Buddy‹ Briggs hält die Abschiedsrede seines Jahrgangs. Die ungefähr hundert Absolventen waren alle namentlich aufgeführt – und Carolyn Poulin war nicht darunter. Also habe ich mir den Bericht über die Abschlussfeier 1964 angesehen, denn in diesem Jahr hätte sie den Abschluss geschafft, wenn sie nicht damit beschäftigt gewesen wäre, sich von ihrer schweren Verletzung zu erholen. Und ich bin fündig geworden. Kein Foto, keine besondere Erwähnung, aber sie stand in der Liste zwischen David Platt und Stephanie Routhier.«
»Nur eine von vielen Absolventen, die zu ›Pomp and Circumstance‹ einmarschiert sind, richtig?«
»Richtig. Ich habe ihren Namen in die Suchfunktion der Enterprise -Datenbank eingegeben und auch nach 1964 ein paar Treffer erzielt. Nicht viele, drei oder vier. Was man bei einer gewöhnlichen Frau, die ein gewöhnliches Leben führt, erwarten würde. Sie hat an der University of Maine Betriebswirtschaft studiert und ein Aufbaustudium in New Hampshire angeschlossen. Ein weiterer Bericht war aus dem Jahr 1979, kurz bevor die Enterprise eingegangen ist: Ehemalige LHS -Schülerin gewinnt nationalen Taglilien-Wettbewerb. Das dazugehörige Foto hat sie auf zwei gesunden Beinen mit der siegreichen Lilie in den Händen gezeigt. Sie lebt … hat gelebt … weiß nicht, was zutrifft, vielleicht beides … in einem Vorort von Albany, New York.«
»Verheiratet? Kinder?«
»Anscheinend nicht. Auf dem Foto trägt sie an der linken Hand keinen Ring. Ich weiß, was du jetzt denkst: Keine große Veränderung, außer dass sie gehen kann. Aber wer könnte das wirklich beurteilen? Sie hat an einem anderen Ort gewohnt und das Leben weiß Gott wie vieler Menschen beeinflusst. Die sie nie kennengelernt hätte, wenn sie in The Falls geblieben wäre, nachdem Cullum sie angeschossen hatte. Verstehst du, was ich meine?«
Ich verstand vor allem, dass es wirklich unmöglich war, darüber zu spekulieren, aber ich stimmte ihm trotzdem zu. Vor allem weil ich Schluss machen wollte, bevor er zusammenklappte. Und ich würde ihn noch sicher zu Bett bringen, bevor ich ging.
»Damit will ich sagen,
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