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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Selbstmordrate unter unseresgleichen ist hoch, Jake. Sehr hoch. Menschen – und wir sind Menschen, nicht Außerirdische oder überirdische Wesen, falls du das glaubst – sind nicht dafür geschaffen, in ihrem Kopf multiple Realitätsstränge festzuhalten. Das ist nicht so, als würde man einfach seine Fantasie gebrauchen. So ist es ganz und gar nicht. Wir sind natürlich dafür ausgebildet, aber man spürt trotzdem, wie es sich in einen hineinfrisst. Wie Säure.«
    »Also bedeuten diese Trips keineswegs einen völligen Neustart.«
    »Ja und nein. Sie hinterlassen Rückstände. Immer wenn dein Freund der Koch …«
    »Er hieß Al.«
    »Ja, das habe ich bestimmt mal gewusst, aber mein Gedächtnis lässt allmählich nach. Das ist wie Alzheimer, nur dass es nicht Alzheimer ist. Es kommt daher, dass das Gehirn nicht mit seinen Versuchen aufhören kann, all diese dünnen Realitätsschichten mit einander zu vereinen. Die Stränge erzeugen multiple Zukunftsbilder. Manche sind klar, andere verschwommen. Deshalb dachte Kyle vermutlich, dein Name wäre Jimla. Er muss ihn irgendwo entlang einem Strang gehört haben.«
    Er hat ihn nicht gehört, dachte ich. Er hat ihn in einer Art Strang-O-Vision gesehen. Auf einer Werbetafel in Texas. Vielleicht sogar durch meine Augen.
    »Du weißt nicht, wie glücklich du dich schätzen kannst, Jake. Für dich sind Zeitreisen einfach.«
    So einfach nun auch wieder nicht, dachte ich.
    »Es gab Paradoxien«, sagte ich. »Alle möglichen Arten. Habe ich recht?«
    »Nein, das ist das falsche Wort. Es sind Rückstände. Hab ich dir das nicht gerade erzählt?« Er schien sich seiner Sache nicht ganz sicher zu sein. »Sie verstopfen die Maschine. Dann ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem die Maschine einfach … stoppt.«
    Ich dachte daran, wie der Motor des Studebakers, den Sadie und ich gestohlen hatten, geplatzt war, und musste trocken schlucken.
    »Im Jahr 1958 immer wieder Fleisch zu kaufen war nicht so schlimm«, sagte Zack Lang. »Ach, das hat im weiteren Verlauf schon Schwierigkeiten verursacht, aber die waren beherrschbar. Danach fingen die großen Veränderungen an. Die Rettung Kennedys war die allergrößte.«
    Ich wollte etwas sagen, konnte aber nicht.
    »Verstehst du das allmählich?«
    Nicht ganz, aber ich konnte die groben Umrisse erkennen, und die jagten mir eine Heidenangst ein. Die Zukunft an Strängen. Wie eine Marionette. Großer Gott.
    »Das Erdbeben … daran war ich schuld. Als ich Kennedy gerettet habe, habe ich … was getan? Das Raum-Zeit-Kontinuum beschädigt?« Das hätte dümmlich klingen sollen, aber das tat es nicht. Es klang sehr ernst. Mein Kopf begann zu schmerzen.
    »Du musst jetzt zurückgehen, Jake.« Er sprach sanft. »Du musst zurückgehen, um genau zu sehen, was du getan hast. Was deine harte und zweifellos gut gemeinte Arbeit bewirkt hat.«
    Ich schwieg. Ich hatte mir Sorgen gemacht, ob ich würde zurückkehren können, aber jetzt fürchtete ich mich auch davor. Gab es einen Satz, der bedrohlicher als Du musst genau sehen, was du getan hast klang? Mir fiel auf die Schnelle keiner ein.
    »Geh. Sieh dich um. Bleib ein bisschen dort. Aber nicht allzu lange. Wenn diese Sache nicht bald korrigiert wird, steht eine Katastrophe bevor.«
    »Wie groß?«
    Er klang gelassen. »Sie könnte alles zerstören.«
    »Die Welt? Das Sonnensystem?« Ich musste mich mit einer Hand am Trockenschuppen abstützen. »Die Galaxie? Das Universum?«
    »Größer als das.« Er hielt inne, um sicherzustellen, dass ich das alles verstand. Die Karte in seinem Hutband wurde gelb und wechselte dann wieder zu Grün. »Die Realität selbst.«
    6
    Ich ging weiter bis zur Absperrkette. Das Schild AB HIER KEIN ZUTRITT, BIS KANALROHR REPARIERT IST quietschte im Wind. Ich sah mich nach Zack Lang um, diesem Reisenden aus wer weiß welcher Zeit. Er betrachtete mich ausdruckslos, während der Saum seines schwarzen Mantels um seine Schienbeine flatterte.
    »Lang! Die Harmonien … die habe alle ich verursacht. Hab ich recht?«
    Vielleicht hat er genickt. Ich bin mir da nicht sicher.
    Die Vergangenheit kämpfte gegen Veränderungen, weil sie die Zukunft zerstörten. Veränderungen bewirkten …
    Mir fiel eine alte Anzeige für Memorex-Tonbänder ein. Sie zeigte ein Kristallglas, das durch Schallwellen zersprang. Durch reine Harmonien.
    »Und mit jeder Veränderung, die ich bewirken konnte, sind diese Harmonien stärker geworden. Sie sind die wirkliche Gefahr, hab ich recht? Diese gottverdammten

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