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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Einer war ein Honda Zephyr, ein weiterer ein Takuro Spirit, ein dritter ein Ford Breeze. Sie sahen ziemlich alt aus, und von einigen fehlten bereits Teile. Alle hatten an der Frontscheibe einen rosa Aufkleber, dessen schwarzen Aufdruck ich auch im Düsteren lesen konnte: PROVINZ MAINE BERECHTI GUNG »A« ZUTEILUNGSKARTE UNAUFGEFORDERT VORWEISEN.
    Auf der anderen Straßenseite standen Jugendliche lachend und schwatzend in einer Gruppe beisammen. »He!«, rief ich zu ihnen hinüber. »Hat die Bücherei noch geöffnet?«
    Sie wandten sich mir zu. Ich sah das Glühwürmchenleuchten von Zigaretten … nur stammte der zu mir herüberwehende Duft unverkennbar von Gras. »Verpiss dich, Mann!«, rief einer von ihnen zurück.
    Ein anderer drehte sich um, zog die Hose herunter und zeigte mir seinen blanken Hintern. »Wenn du hier hinten Bücher findest, gehören sie dir!«
    Allgemeines Gelächter, dann gingen sie weiter, redeten leiser und sahen sich dabei mehrmals um.
    Dass mir ein blanker Hintern hingestreckt wurde, machte mir nichts aus – es war nicht das erste Mal gewesen –, aber mir gefielen ihre Blicke nicht – und die gesenkten Stimmen noch weniger. Vielleicht enthielten sie etwas Verschwörerisches. Jake Epping glaubte das zwar nicht so recht, George Amberson dagegen schon; George hatte bereits viel durchgemacht, daher war es George, der sich bückte, zwei faustgroße Betonbrocken aufhob und sich für alle Fälle in die Jeanstaschen stopfte. Jake hielt das für albern, widersprach aber nicht.
    Eine Straße weiter endete das Geschäftsviertel (so bescheiden es war) abrupt. Ich sah eine ältere Frau, die den Gehsteig entlanghastete und nervös zu den Jungen hinübersah, die jetzt auf der anderen Seite der Main Street einen kleinen Vorsprung vor mir hatten. Sie trug ein Kopftuch und etwas, was wie ein Beatmungsgerät aussah, das Menschen mit chronischer Bronchitis oder fortgeschrittenem Lungenemphysem trugen.
    »Ma’am, wissen Sie, ob die Bücherei …«
    »Lassen Sie mich in Ruhe!« Ihre Augen waren angstvoll geweitet. Weil der Mond gerade durch eine Wolkenlücke schien, sah ich, dass ihr Gesicht mit Geschwüren bedeckt war. Das unter dem rechten Auge schien sich bis zum Knochen durchgefressen zu haben. »Ich hab einen Schein, dass ich unterwegs sein darf, er ist vom Stadtrat abgestempelt, also lassen Sie mich in Ruhe! Ich will meine Schwester besuchen! Diese Jungs sind schlimm drauf und werden bald Randale machen. Wenn Sie mich anfassen, drücke ich meinen Rufknopf, und dann kommt ein Wachtmeister!«
    Irgendwie bezweifelte ich das.
    »Ma’am, ich möchte nur wissen, ob die Bücherei noch …«
    »Die ist seit Jahren geschlossen, und die Bücher sind alle weg! Da finden jetzt Hassversammlungen statt. Lassen Sie mich bloß in Ruhe, sage ich, sonst rufe ich einen von den Ordnungshütern!«
    Sie huschte weiter und sah sich alle paar Sekunden um, ob ich ihr auch wirklich nicht folgte. Ich ließ sie einen beruhigend großen Vorsprung gewinnen, dann ging ich weiter die Main Street entlang. Mein Knie hatte sich von der Jagd die Treppe im Schulbuchlager hinauf etwas erholt, aber ich hinkte noch und würde es wohl noch eine Weile tun. In einigen Häusern brannte hinter geschlossenen Vorhängen Licht, aber ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht vom Elektrizitätswerk Central Maine Power kam. Das waren Coleman-Gaslampen, in einigen Fällen wohl auch Petroleum lampen. Die meisten Häuser waren dunkel. Manche waren brand geschwärzte Ruinen. An einer dieser Ruinen prangte ein Hakenkreuz, an eine andere hatte jemand JUDENRATTE gesprüht.
    Diese Jungs sind schlimm drauf und werden bald Randale machen.
    Und … hatte sie wirklich Hassversammlungen gesagt?
    Vor einem der wenigen Häuser, die nicht verfallen wirkten – eine Villa im Vergleich zu den meisten anderen –, sah ich eine lange Pferde stange wie aus einem Western. Und hier waren wirklich Pferde angebunden gewesen. Als der Mond wieder einmal hinter den Wolken hervorkam, sah ich Pferdeäpfel, manche davon frisch. Die Einfahrt war mit einem Tor gesichert. Weil der Mond sich wieder versteckt hatte, konnte ich das Schild an den schmiede eisernen Stäben nicht lesen, aber ich wusste auch so, dass dort ZUTRITT VERBOTEN stand.
    Dann hörte ich, wie jemand nicht allzu weit vor mir ein einziges Wort sagte: »Arschloch!«
    Die Stimme klang nicht jung, nicht wie die eines der wilden Jungen, und sie kam eher von meiner als von ihrer Straßenseite. Der Kerl schien sauer zu sein.

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