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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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lesen. AB HIER KEIN ZUTRITT, BIS KANALROHR REPARIERT IST.
    Fünf Jahre, dachte ich, und das verdammte Rohr ist immer noch kaputt.
    »Jimla! Zwing mich nicht dazu, rüberzukommen und dich zu holen!«
    Das konnte er vermutlich tun; sein lebensmüder Vorgänger hatte es sogar bis zum Greenfront geschafft. Aber ich war mir sicher, dass diese neue Version Pech haben würde, wenn ich die Old Lewiston Road schnell genug hinunterhinkte. Vielleicht würde er mir bis zum Red & White Supermarket folgen können, in dem Al sein Hackfleisch gekauft hatte, aber wenn ich es bis zur Chevron-Tankstelle oder dem Jolly White Elephant schaffte, konnte ich haltmachen und ihm eine lange Nase drehen. Er saß hier fest, gezwungen, in unmittelbarer Nähe zum Kaninchenbau zu bleiben. Wäre das nicht der Fall, hätte ich ihn in Dallas gesehen. Das wusste ich so sicher, wie ich wusste, dass die Schwerkraft uns Menschen daran hinderte, ins Weltall hinauszuschweben.
    Wie um das zu bestätigen, rief er jetzt: »Jimla, bitte! « Die Verzweiflung, die ich auf seinem Gesicht sah, glich dem Wind: substanzlos, aber irgendwie unnachgiebig.
    Ich blickte nach beiden Seiten, ohne ein Auto zu sehen, und überquerte die Straße zu seinem Standort. Als ich näher herankam, entdeckte ich zwei weitere Unterschiede. Zwar trug er wie sein Vorgänger einen weichen Filzhut, aber der war sauber statt schmutzig. Und wie bei seinem Vorgänger steckte im Hutband eine farbige Karte wie der Presseausweis eines Reporters aus alter Zeit. Nur war diese weder gelb noch orange noch schwarz.
    Sie war grün.
    5
    »Gott sei Dank«, sagte er. Er umfasste eine meiner Hände mit seinen und drückte sie. Das Fleisch seiner Handflächen war fast so kalt wie die Luft. Ich entzog ihm meine Hand, aber ganz sanft. Ich spürte nichts Bedrohliches an ihm, nur diese substanzlose, unnachgiebige Verzweiflung. Allerdings konnte diese selbst gefährlich sein; sie konnte so scharf wie die Klinge des Messers sein, mit dem John Clayton Sadies Gesicht entstellt hatte.
    »Wer bist du?«, fragte ich ihn. »Und warum nennst du mich Jimla? Jim LaDue ist weit von hier entfernt, mein Freund.«
    »Wer Jim LaDue ist, weiß ich nicht«, sagte der Grüne-Karte-Mann. »Ich habe mich möglichst weit von deinem Strang ferngehalten …«
    Er verstummte. Sein Gesicht war verzerrt. Er hob die Hände und presste die Handflächen an die Schläfen, als wollte er sein Gehirn zusammenhalten. Aber es war die in seinem Hutband steckende Karte, die meine Aufmerksamkeit am meisten fesselte. Ihre Farbe war nicht gleichbleibend. Einen Augenblick lang changierte sie und erinnerte mich an den Bildschirmschoner, der meinen Computer übernahm, wenn die letzte Eingabe eine Viertelstunde oder so zurücklag. Als er nun langsam die Hände sinken ließ, wurde sie wieder grün – allerdings nicht mehr so leuchtend grün wie beim ersten Anblick.
    »Ich habe mich möglichst weit von deinem Strang ferngehalten, aber ganz fernhalten geht nicht«, sagte der Mann in dem schwarzen Mantel. »Außerdem, es gibt jetzt so viele Stränge. Wegen dir und deinem Freund dem Koch gibt es jetzt so viel Scheiß. «
    »Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte ich, aber das stimmte nicht ganz. Ich konnte zumindest erraten, was es mit der Karte auf sich hatte, die dieser Mann (wie schon sein schwachsinniger Vorgänger) trug. Die Karten glichen den Strahlendosimetern, die das Personal von Kernkraftwerken trug. Aber statt die Strahlenbelastung zu messen, überwachten die Karten … was? Geistige Gesundheit? Grün: Man hatte alle Tassen im Schrank. Gelb: Man hatte ein paar Schrauben locker. Orange: Man war ein Fall für die Männer in weißen Kitteln. Und wenn die Karte schwarz wurde …
    Der Grüne-Karte-Mann beobachtete mich aufmerksam. Über die Straße hinweg hatte er nicht älter als dreißig ausgesehen. Aus der Nähe betrachtet, schien er eher Mitte vierzig zu sein. Erst wenn man dicht genug herankam, um ihm in die Augen zu sehen, war er anscheinend steinalt und nicht ganz richtig im Kopf.
    »Bist du eine Art Wächter? Bewachst du den Kaninchenbau?«
    Er lächelte … oder versuchte es zumindest. »So hat dein Freund das bezeichnet.« Er zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. Die Packung trug keine Marke. Das hatte ich noch nie gesehen, weder im Land des Einst noch im Land des Voraus.
    »Ist das der einzige?«
    Er brachte ein Feuerzeug zum Vorschein, schützte die Flamme mit der freien Hand vor dem Wind und zündete sich eine Zigarette an. Sie

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