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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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der Haustür miteinander. Mich ins Haus einzuladen, in dem sie allein war, weil die Kinder in der Schule waren, wäre ungehörig und zweifellos ein Thema für Nachbarschaftsklatsch gewesen – vor allem da ihr Mann »auswärts« wohnte. Sie hielt ein Staubtuch in einer Hand und eine Zigarette in der anderen. Aus ihrer Schürzentasche ragte eine Flasche Möbelpolitur. Wie die meisten Einwohner von Derry war sie höflich, aber distanziert.
    Ja, sagte sie, als das West Side Rec noch in Betrieb gewesen sei, sei es eine wundervolle Einrichtung für die Kinder gewesen. Es sei für sie schön gewesen, ganz in der Nähe einen Ort zu haben, an den sie nach der Schule gehen und sich nach Herzenslust austoben konnten. Sie könne den Spielplatz und das Basketballfeld von ihrem Küchenfenster aus überblicken, und das unbelebte Gelände sei ein trauriger Anblick. Sie sagte, ihres Wissens sei die Rec im Rahmen einer Serie von Haushaltskürzungen geschlossen worden, aber wie sie dabei meinem Blick auswich und die Lippen zusammenkniff, suggerierte mir etwas anderes: dass die Halle während der Serie von Kindermorden und des Verschwindens von Kindern geschlossen worden war. Haushaltszwänge waren vermutlich zweitrangig gewesen.
    Ich bedankte mich und überreichte ihr eine meiner erst vor Kurzem gedruckten Visitenkarten. Sie nahm sie, bedachte mich mit einem zerstreuten Lächeln und schloss die Haustür. Die Tür wurde leise geschlossen, nicht etwa zugeknallt, aber ich hörte dahinter ein Klirren und wusste, dass sie die Sicherungskette vorgelegt hatte.
    Ich hielt die Rec in Bezug auf Halloween für meine Zwecke geeignet, auch wenn ich nicht hundertprozentig davon begeistert war. Ich rechnete damit, dass es leicht sein würde, dort einzudringen, und von einem der nach vorn hinausführenden Fenster würde ich die Straße gut überblicken können. Dunning würde vielleicht eher mit dem Auto als zu Fuß kommen, aber ich wusste ja, wie sein Wagen aussah. Wie Harry in seinem Aufsatz geschrie ben hatte, würde es schon dunkel sein, aber die Kossuth Street war einigermaßen gut beleuchtet.
    Natürlich brachten gute Sichtverhältnisse auch Nachteile. Falls Dunning nicht ganz auf sein Vorhaben fixiert war, würde er mich ziemlich sicher auf ihn zurennen sehen. Ich hatte den Revolver, aber der war nur bis auf fünfzehn Meter treffsicher. Ich würde sogar noch näher herankommen müssen, denn an Halloween würde es auf der Kossuth Street von Geistern und Kobolden im Miniaturformat nur so wimmeln. Trotzdem durfte ich nicht warten, bis er tatsächlich im Haus war, bevor ich mich aus der Deckung wagte, denn laut Harrys Aufsatz hatte Doris Dunnings entfremdeter Ehemann sich sofort an die Arbeit gemacht. Bis Harry aus dem Klo kam, war niemand mehr auf den Beinen, und alle außer Ellen waren tot. Wenn ich zu lange wartete, würde ich vermutlich zu sehen bekommen, was Harry gesehen hatte: das Gehirn seiner Mutter, das in die Couchpolster sickerte.
    Ich war nicht über ein halbes Jahrhundert zurückgereist, um nur einen von ihnen zu retten. Was also, wenn er mich kommen sah? Ich war der Mann mit dem Revolver, er war der Mann mit dem Hammer – den er vermutlich aus dem Werkzeugschrank des Gästehauses mitgenommen hatte. Wenn er auf mich zugestürmt käme, wäre das nur gut. Ich würde dann den Rodeoclown spielen, der den Stier ablenkte. Ich würde herumspringen und brüllen, bis er auf Schussweite heran war, und ihm dann zwei Kugeln in die Brust verpassen.
    Das heißt, falls ich imstande war, den Abzug zu betätigen.
    Und vorausgesetzt, dass mein Revolver keine Ladehemmung hatte. Ich hatte ihn in einer Kiesgrube am Stadtrand ausprobiert, und er hatte einwandfrei funktioniert … aber die Vergangenheit war unerbittlich.
    Sie wollte sich nicht ändern lassen.
    4
    Nach weiterer Überlegung gelangte ich zu der Einschätzung, dass es einen noch besseren Ort für meinen Hinterhalt an Halloween geben könnte. Dazu würde ich etwas Glück brauchen, aber vielleicht auch nicht allzu viel. Hier sind weiß Gott viele Immobilien zu verkaufen, hatte Barkeeper Fred Toomey an meinem ersten Abend in Derry gesagt. Meine Erkundungen hatten das bestätigt. Nach der Mordserie (und der großen Überschwemmung des Jahres 1957, um die nicht zu vergessen) schien die halbe Stadt zum Verkauf zu stehen. In einer weniger abweisenden Gemeinde hätte ein angeblicher Immobilienkäufer wie ich vermutlich längst die Schlüssel der Stadt und dazu ein wildes Wochenende mit Miss Derry

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