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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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von dem Haus entfernt, in dem Mrs. Dunning und ihre Kinder wohnten. Ich fand, dass der Zaun aussah, als hätte etwas – oder jemand – ihn durchbrochen und wäre unten in den Barrens aufgekommen. Ein verlassener Spielplatz, auf dem das kleine Karussell sich langsam drehte, obwohl keine Kinder darin saßen, die es hätten drehen können, und kein spürbarer Wind herrschte. Während es sich drehte, quietschte es auf unsichtbaren Kugellagern. Eines Tages sah ich eine grob geschnitzte Jesusfigur den Kanal hinuntertreiben und in dem Tunnel unter der Canal Street verschwinden. Zu einem knurrenden Grinsen hochgezogene Lippen ließen die Zähne sehen. Eine Dornenkrone, unbeschwert schief aufgesetzt, umgab den Kopf; unter die unheimlichen, weißen Augen der Statue waren blutige Tränen gemalt worden. Sie sah wie ein Juju-Fetisch aus. In die sogenannte Kussbrücke im Bassey Park hatte jemand zwischen Beteuerungen von Schulgeist und ewiger Liebe die Worte ICH WERDE MEINE MUTTER BALD UMBRINGEN geschnitzt, und jemand anders hatte daruntergesetzt: NICHT BALD GENUG SIES VOL LER KRANKEIT. Als ich eines Nachmittags auf der Ostseite der Barrens spazieren ging, hörte ich ein schreckliches Jaulen, hob den Kopf und sah die Silhouette eines hageren Mannes, der nicht allzu weit von mir entfernt auf der Stahlbrücke der GS&WM -Eisenbahngesellschaft stand. In der Hand hielt er einen Knüppel, mit dem er unablässig zuschlug. Das Jaulen verstummte, und ich dachte: Das war sein Hund, und jetzt ist er mit ihm fertig. Er hat ihn an der Leine dort hingezerrt und auf ihn eingeprügelt, bis er verendet ist. Natürlich konnte ich das überhaupt nicht wissen … und trotzdem war ich mir meiner Sache sicher und bin es noch heute.
    Etwas Falsches.
    Etwas Böses.
    Hat irgendwas von alldem etwas mit der Geschichte zu tun, die ich erzähle? Mit der Geschichte vom Vater des Hausmeisters und von Lee Harvey Oswald (der mit dem affektierten kleinen Ich-weiß-ein-Geheimnis-Lächeln und den seltsamen, grauen Augen, die anderen Blicken nie richtig begegnen konnten)? Das weiß ich nicht bestimmt, aber eines kann ich noch sagen: In dem umgestürzten Kamin auf dem Gelände des Eisenwerks Kitchener war irgendetwas. Ich weiß nicht, was, und will es auch gar nicht wissen, aber vor seiner oberen Öffnung hatten ein Häufchen Knochen und ein angekautes kleines Halsband mit einem Glöckchen daran gelegen. Ein Halsband, das bestimmt der geliebten Katze irgendeines Kindes gehört hatte. Und im Inneren der Röhre – tief in dem schwarzen Tunnel – hatte sich etwas bewegt und gescharrt.
    Komm rein und besuch mich, schien dieses Etwas direkt in meinem Kopf zu flüstern. Kümmere dich nicht um alles andere, Jake – komm rein und besuch mich. Hier drinnen spielt die Zeit keine Rolle; hier drinnen schwebt sie nur davon. Du weißt, dass du es möchtest; du weißt, dass du neugierig bist. Vielleicht gibt es hier drinnen einen weiteren Kaninchenbau. Ein weiteres Portal .
    Vielleicht stimmte das, aber ich bezweifle es. Ich glaube, dass dort drinnen Derry war – alles, was damit nicht stimmte, alles, was daran verquer war, hatte sich dort in dieser Röhre verkrochen. Überwinterte dort. Es ließ die Leute glauben, die schlimmen Zeiten wären vorüber, und wartete ab, bis sie sich entspannten und vergaßen, dass es überhaupt jemals schlimme Zeiten gegeben hatte.
    Ich verschwand eilig und kehrte nie mehr in diesen Teil von Derry zurück.
    3
    An einem Tag in der zweiten Oktoberwoche – die Eichen und Ulmen in der Kossuth Street schwelgten inzwischen in Gold und Rot – besuchte ich wieder die leer stehende West Side Recreation Hall. Kein Immobilienfachmann, der etwas auf sich hielt und auf der Suche nach einem Schnäppchen war, durfte es versäumen, die Möglichkeiten eines Objekts in so ausgezeichneter Lage zu erkunden. Ich fragte mehrere Leute auf der Straße, wie das Gebäude innen aussehe (die Tür war natürlich mit einem Vorhängeschloss gesichert) und wie lange die Halle schon leer stehe.
    Zu den Leuten, mit denen ich sprach, gehörte auch Doris Dun ning. Bildhübsch, hatte Chaz Frati gesagt. Ein im Allgemeinen bedeutungsloses Klischee, aber in diesem Fall zutreffend. Im Lauf der Jahre hatte sie Fältchen um die Augen und tiefere Falten um die Mundwinkel bekommen, aber sie hatte einen makellosen Teint und eine tolle vollbusige Figur (im Jahr 1958, Jayne Mansfields Glanzzeit, galten große Brüste als attraktiv, nicht als eher peinlich). Wir spra chen auf dem Podest vor

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