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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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abwaschen und dabei vielleicht der Fernsehsendung Huntley-Brinkley zuhören.
    »Müssen Sie irgendwohin?«, fragte Turcotte. »Müssen Sie eilig zu ’nem gottverdammten Zug?«
    »Sie wollten mir etwas Komisches erzählen.«
    »Ah, richtig. Sie haben die Schulhymne gesungen! Wie gefällt Ihnen das?«
    Vor meinem inneren Auge sah ich sechs oder acht stämmige Jungathleten, die nur teilweise bekleidet über den Platz tobten, um sich nach dem Training noch ein bisschen Übung zu verschaffen, und dabei Hail Derry Tigers, we hold your banner high sangen. Das war wirklich irgendwie komisch.
    Turcotte sah mein Grinsen und beantwortete es mit einem eigenen. Es war angestrengt, aber echt. »Die Footballer haben ein paar von den Kerlen ziemlich rangenommen. Allerdings nicht Frankie Dunning; dieser Feigling hat gesehen, dass es Prügel setzen würde, und sich in den Wald verdünnisiert. Chazzy hat auf dem Boden gelegen und sich den rechten Arm gehalten. Der war gebrochen. Hätt allerdings viel schlimmer ausgehn können. Sie hätten ihn krankenhausreif geschlagen. Einer von den Footballern sieht ihn dort liegen und stößt ihn leicht mit dem Fuß an – wie man vielleicht einen Kuhfladen anstößt, in den man fast getreten ist –, und sagt: ›Wir sind über den ganzen Platz gerannt, um den Schinken eines Judenjungen zu retten?‹ Und ein paar von den anderen haben gelacht, weil das ’ne Art Witz war, verstehn Sie? Schinken? Judenjunge?« Er starrte mich durch von Brylcreem glänzende Strähnen an.
    »Schon kapiert«, sagte ich.
    »›Ach, scheiß drauf‹, sagt einer von den anderen. ›Ich hab ’n paar Kerle in den Hintern treten können, das genügt mir.‹ Sie sind zurückgegangen, und ich hab dem ollen Chaz aus dem Graben geholfen. Hab ihn sogar heimbegleitet, weil ich dachte, er könnte zusammenklappen oder sonst was. Ich hatte Angst, Frankie und seine Freunde könnten zurückkommen – das haben sie übrigens getan –, aber ich bin bei ihm geblieben. Scheiße, ich weiß gar nicht, warum. Das Haus, in dem er gewohnt hat, hätten Sie sehen müssen – der reinste Palast. Das Pfandleihgeschäft muss echt Kohle bringen. Als wir dort angekommen sind, hat er sich bei mir bedankt. Ganz ernsthaft. Viel hat nicht gefehlt, dann hätt er losgeheult. Ich sag: ›Nicht der Rede wert, ich mag’s bloß nicht, wenn sechs über einen herfallen.‹ Was auch stimmte. Aber Sie wis sen ja, was man von den Juden sagt: Sie vergessen nie eine Schuld oder einen Gefallen.«
    »Für den Sie eine Gegenleistung eingefordert haben, um rauszukriegen, was ich hier treibe.«
    »Das wusste ich schon ziemlich genau, Kumpel. Ich wollte mich nur noch vergewissern. Chaz wollte, dass ich Sie in Ruhe lasse – er meinte, Sie wärn ’n netter Kerl –, aber wenn’s um Frankie Dunning geht, kenne ich keine Rücksicht. Außer mir darf sich keiner mit Dunning anlegen. Er gehört mir. «
    Er zuckte zusammen und rieb sich wieder die Brust. Und diesmal begriff ich endlich.
    »Turcotte – haben Sie’s am Magen?«
    »Nee, an der Brust. Fühlt sich irgendwie eng an.«
    Das klang nicht gut, und dabei kam mir der Gedanke, dass jetzt auch sein Kopf in einem Nylonstrumpf steckte.
    »Setzen Sie sich, bevor Sie zusammenklappen.« Ich trat einen Schritt auf ihn zu. Er zog den Revolver. Die Haut über meinem Brustbein – wo die Kugel einschlagen würde – begann heftig zu jucken. Du hättest ihn entwaffnen können, dachte ich. Du hattest wirklich die Möglichkeit dazu. Aber nein, du musstest ja unbedingt seine Geschichte hören. Wolltest alles wissen.
    »Setzen Sie sich hin, Bruder. Immer Ruhe in der Truhe, wie’s auf den Witzseiten heißt.«
    »Wenn Sie einen Herzanfall haben …«
    »Ich hab kein’ gottverdammten Herzanfall. Los, setzen Sie sich!«
    Ich setzte mich und sah zu ihm auf, wie er an der Garagenwand lehnte. Seine Lippen hatten eine bläuliche Färbung angenommen, die ich nicht mit bester Gesundheit in Verbindung brachte.
    »Was wollen Sie von ihm?«, fragte Turcotte. »Das möchte ich wissen. Das muss ich wissen, bevor ich entscheiden kann, was mit Ihnen geschieht.«
    Ich überlegte mir sorgfältig, was ich antworten sollte. Als hinge mein Leben davon ab. Vielleicht tat es das wirklich. Unabhängig davon, was er dachte, traute ich Turcotte keinen kaltblütigen Mord zu, sonst wäre Frank Dunning schon längst neben seinen Eltern beigesetzt worden. Aber Turcotte hatte meinen Revolver, und er war ein kranker Mann. Er könnte versehentlich abdrücken. Die

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