Der Antares-Krieg
Seufzend setzte sie sich auf, schwang die bloßen Füße auf den Teppichboden und stand auf. Im Dunkeln tastete sie nach ihrem Morgenmantel, schlüpfte in seine seidige Umarmung und zog den Gürtel zu. Sie bewegte sich zur Tür und öffnete sie. Ein Rechteck blauer Nachtbeleuchtung vom Korridor lag vor ihr. Sie trat hinaus, schloss die Tür hinter sich und tappte in die Richtung der Offiziersmesse. Während sie durch das menschenleere Schiff ging, dachte sie über die möglichen Gründe ihrer Schlaflosigkeit nach.
Der erste war natürlich der Umstand, dass sie am folgenden Tag die Parkumlaufbahn um die Erde erreichen würden. Während der Reise vom Sol-Goddard-Faltpunkt hatte sie Stunden damit verbracht, die wachsende Erde auf dem Bildschirm zu betrachten. Wie sie von einer undeutlichen kleinen Scheibe zu einer lebendigen Welt geworden war. Die Ähnlichkeit der Erde mit Alta war ihr aufgefallen, aber die Korrelation, sagte sie sich, war natürlich andersherum. Sie hatte die unmöglich dünne Linie der Erdatmosphäre beobachtet und an die vielen tausend Generationen gedacht, die unter ihrer schützenden Lufthülle gelebt hatten. Sie hatte die Weiten der Ozeane unter den weißen Wolkenwirbeln betrachtet und sich aller Bilder erinnert, die sie von Korallenriffen, Segelschiffen, Wracks und Eisbergen gesehen hatte. Staunend hatte sie die vertrauten Umrisse von Kontinenten angestarrt, die mit eigenen Augen zu sehen sie nie erwartet hatte. In Anbetracht der Begeisterung über ihre Ankunft am Ziel der Reise war es kein Wunder, dass sie Schlafstörungen hatte.
Die zweite Angelegenheit, die Bethany wachhielt, war der Durchbruch, den sie an diesem Tag in ihren Gesprächen mit Varlan erzielt hatte. Das Gespräch hatte wie manche anderen damit begonnen, dass Varlan über die Philosophie und Weltanschauung der Ryall gesprochen hatte. Dann hatten sie darüber diskutiert und waren auf ihr erstes Gespräch auf Corlis zu sprechen gekommen, als sie die Einstellungen von Menschen und Ryall zu ihren Sprösslingen verglichen hatten. Bethany hatte von der Liebe menschlicher Eltern zu ihren Kindern gesprochen, und Varlan hatte bekräftigt, dass die Ryall für ihre Sprösslinge ähnlich empfanden.
»Aber Sie können nicht wissen, wer Ihre Kinder sind!«, hatte Bethany gesagt.
»Natürlich nicht. Wenn die Zeit zum Eierlegen kommt, weiß ich instinktiv, was zu tun ist, auch wenn es für mich das erste Mal ist. Ich grabe ein Loch in warmen Sand, lege die Eier ab und bedecke sie mit dem Sand. Hinterher habe ich kaum eine Erinnerung an den Vorgang. Wenn ich meine eigenen Jungen zu kennen wünschte – ein Verlangen, das von meinem Volk als krankhaft betrachtet würde –, müßte ich jemanden bitten, mein Nest zu markieren und zu bewachen, bis die Eier ausgebrütet sein würden. Aber in der Ryallgesellschaft ist es nicht notwendig, die eigenen Eltern zu kennen. Die Jungen werden kollektiv aufgezogen und genauso geliebt und umhegt wie Ihre menschlichen Sprößlinge.«
»Sehen Sie, unsere zwei Arten haben doch etwas gemeinsam«, erwiderte Bethany.
Varlan dachte lange darüber nach. Zuletzt sagte sie langsam und bedacht: »Vielleicht haben Sie Recht, Bethany von den Lindquists. Vielleicht sind wir einander ähnlicher, als ich zuerst glaubte.«
Darauf folgte eine lange Diskussion, in deren Verlauf Varlan einräumte, dass sie sich über die Unausweichlichkeit eines Konflikts zwischen den Arten geirrt haben könnte. Bald danach hatte Bethany das Gespräch beendet, um dem fremdartigen Konzept Zeit zu geben, in Varlans Bewusstsein zu reifen.
Bethany dachte noch immer an Varlan, als sie in die kleine Kombüse neben der Offiziersmesse kam, deren Kühlschrank für die Offiziere der Wache reichhaltig bestückt war. Sie hatte sich vorgenommen, etwas Milch zu wärmen und in ihre Kabine zu tragen. Da sie nicht erwartet hatte, um diese Zeit jemanden anzutreffen, war sie überrascht, Gregg Oldfield vor einem Teller mit Aufschnitt und Käse neben der kleinen Anrichte sitzen zu sehen.
»'n Abend, Miss Lindquist«, sagte der Erste Sekretär und schnitt sich ein Stück Käse ab.
»Guten Morgen, Mr. Oldfield!«
»Ja, richtig. Aber bitte, sagen Sie ruhig Gregg zu mir.«
»Und Sie dürfen Bethany zu mir sagen, Gregg.«
»Nehmen Sie einen Imbiss mit mir, Bethany?«
»Nein danke. Ich bin bloß gekommen, mir ein Glas Milch zu holen.«
»Klingt gut. Schenken Sie mir auch eins ein?«
»Warm oder kalt?«
»Kalt, bitte.«
Bethany trat an den Kühlschrank,
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