Der Antares-Krieg
weiteren gefangenen Ryall der Verwalterkaste gibt, und zwar hier auf Corlis?«
Bethany sah ihn verdutzt an, dann wandte sie sich um und starrte die weiße und blaue Welt an, die über dem nahen Fenster hing. »Corlis? Hier auf unserem Corlis?«
»Genau so. Ich entnehme Ihrem Gesichtsausdruck, dass diese Nachricht Ihr Interesse weckt.«
Bethany hörte ihn kaum. Ihr Verstand arbeitete fieberhaft. Endlich sah sie Phillip an und sagte: » Ich würde gern Ihre ehrliche Meinung hören. Bitte schonen Sie nicht meine Gefühle. Wenn Sie glauben, ich sei durchgedreht, sagen Sie es mir bitte.«
»Selbstverständlich.«
»Sie sind besorgt, dass Varlan mich für einen Einfaltspinsel hält, dem man jeden Bären aufbinden kann, richtig?«
»Ich würde es diplomatischer ausgedrückt haben, aber ja.«
»Sie stimmen der Ansicht zu, dass die Kaste der Wirtschaftsführer und Verwalter anders denkt als die Kaste der Militärs?«
Er nickte. »Das ist anzunehmen.«
»Wie wäre es dann, wenn ich meine Untersuchung auf einen zweiten Ryall ausdehnen würde? Wie, wenn ich diesen anderen Verwalter oder Wirtschaftsfachmann überzeugen kann, dass es unseren beiden Spezies möglich ist, in Frieden zu koexistieren?«
»Dann würde ich sagen, dass Sie ein zweifaches Wunder gewirkt haben.«
»Vielleicht kann ich Varlan bewegen, mir zu helfen«, überlegte Bethany.
»Wie meinen Sie das?«
»Ach, habe ich es Ihnen nicht gesagt? Varlan begleitet mich nach Spica. Das ist ein Grund, warum ich so viele Schwierigkeiten habe. Kein Kriegsschiff lässt einen Ryall an Bord.«
»Ach, da bin ich nicht so sicher. Ich kann mir eins vorstellen, das es tun würde, sobald wir es wieder zusammengebaut haben.«
»Welches Schiff?«
»Queen Julia. Wir werden in einem Monat in die Kampfzone zurückkehren und könnten Raum für eine kleine Menagerie frei machen.«
»Bedeutet das, dass Sie mir glauben?«
»Es bedeutet, dass genug auf dem Spiel steht, um Ihr abenteuerliches Projekt nicht von vornherein abzulehnen.«
72
Varlan von den Duftenden Wasser lag quer über zwei Sitzen mit zurückgeklappten Lehnen, hatte es sich auf diesem provisorischen Lager so bequem wie möglich gemacht und betrachtete durch das runde Fenster des Raumtransporters die vertraute Landschaft. In der Reihe hinter ihr tat Bethany das Gleiche, während die aquamarinblaue See, die bewaldeten Berge und die weiten Ebenen von Corlis zur Begleitmusik des schrill pfeifenden Windes außerhalb der Kabinenwand von Augenblick zu Augenblick größer wurden.
»Welch eine schöne Welt!«, sagte Bethany sinnend.
Varlan wandte den Kopf auf ihrem langen Hals zu Bethany zurück. »Ja, sie ist schön auch für die Augen der Ryall.«
Bethany seufzte. »Das ist wirklich das Problem zwischen uns, nicht wahr? Wir begehren beide die gleiche Art von Grundbesitz. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn eine unserer Spezies sich auf den gefrorenen Ebenen und Teichen aus flüssigem Helium an den äußeren Rändern unserer jeweiligen Sternsysteme entwickelt hätte.«
»Ein interessanter Gedanke«, sagte Varlan. Etwas, woran sie sich im Umgang mit Bethany gewöhnt hatte, war der ständige Strom von »interessanten Gedanken«. Diese Reise, zum Beispiel. Sie war einer von Bethanys beharrlichsten Verrücktheiten zuzuschreiben, nämlich der, dass zwei intelligente Arten friedlich in einem Universum koexistieren könnten, wo Aggression die einzige Überlebenstechnik ist. Varlans Problem war, dass Bethanys Verrücktheiten ansteckend waren. Nach so vielen Zyklen ständiger Schmeichelei und Überredung seitens ihrer Wärterin/Freundin war Varlan sich ihrer eigenen Überzeugungen nicht mehr sicher. Mit der Zeit hatte die Idee friedlicher Koexistenz mit Menschen aufgehört, lächerlich zu sein und begann, wenn nicht vernünftig, so doch wenigstens als etwas zu erscheinen, das überlegenswert sein konnte. Bethany glaubte, Varlans Bereitwilligkeit, die Idee in Betracht zu ziehen, sei ein Beweis, dass Menschen und Die Rasse eines Tages friedlich nebeneinander leben könnten. Varlan wusste, dass es eine andere, wahrscheinlichere Erklärung gab.
Ihre neu gefundene geistige Beweglichkeit mochte durchaus ein Zeichen dafür sein, dass die lange Gefangenschaft sie aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht hatte. So etwas war von Zeit zu Zeit in der langen Geschichte Der Rasse vorgekommen.
Der Gedanke, dass sie selbst den Verstand verlieren könnte, beunruhigte Varlan nicht sonderlich. Sie fragte sich, ob auch das womöglich
Weitere Kostenlose Bücher