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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Weinseligkeit fiel niemandem weiter auf, dass das »glückliche Paar« nicht an die Festtafel zurückgekehrt war.
    Vielmehr lag Pip – die rationale Pip, die nie etwas überstürzte und sehr wohl wusste, was ihrer Mutter zugestoßen war und wie ihr erster Beau verschwunden war, beim ersten Schlag des Zwölf-Uhr-Läutens in Balthazars Bett, ja, in Balthazars Armen. Mit jedem Glockenschlag wuchs ihr Vergnügen, sie schwelgte in einem lustvollen Crescendo, bis sie vor Wonne zerschmolz. Pip war heilfroh, dass sie ausnahmsweise einmal alle Vorsicht hatte sausen lassen, dass sie ihrem Herzen gefolgt war und ihrer Libido freien Lauf gelassen hatte. Sie war Balthazar zu seinem Cottage und in sein Schlafzimmer gefolgt und hatte es genossen, sich von ihm langsam ausziehen und jedes neu enthüllte Fleckchen Haut mit Küssen bedecken zu lassen, bis sie eng umschlungen auf sein Bett gesunken waren.
    Und als er innegehalten und lächelnd gewispert hatte: »Oder wollen wir lieber bis nach der Hochzeit warten?«, da hatte Pip nur geseufzt und ihm mit einem Kuss den Mund verschlossen.

– 33 –
    Balthazar wachte früh auf. Er drehte sich um und betrachtete die schlafende Pip, ihr schönes Haar, das seidig auf dem Kissen lag, ihr friedlich ruhendes, schönes Gesicht.
    Er jauchzte innerlich vor Freude über ihren Anblick und vor Staunen über die seltsam verschlungenen Wege, die das Leben einem manchmal wies.
    Hier so mit ihr zu liegen, war nicht der Grund, nicht das Ziel seines Kommens gewesen. Und doch war es ihm vom ersten Augenblick an unausweichlich erschienen.
    Er wollte sie gerade zärtlich an sich ziehen, als sein Handy auf dem Nachttisch vibrierte. Pip regte sich, drehte sich dann aber um und schlief weiter. Ihm war klar, worum es gehen musste, wenn jemand ihn um diese Uhrzeit anrief.
    Blitzschnell war Balthazar auf den Beinen und huschte ins Nebenzimmer, wo er gedämpft in seiner Muttersprache redete.
    Das Telefongespräch war kurz.
    Mit raschen, lautlosen Bewegungen schnappte er sich aus dem Schrank im Gästezimmer eine Tasche, warf alles hinein, was er brauchte, und kehrte dann ins Schlafzimmer zurück, wo Pip immer noch schlief.
    Eigentlich hatte er vorgehabt, sie zu wecken, doch nun zögerte er. Sie würde Fragen stellen, die er im Moment nicht beantworten wollte.
    Und so ging er ins Wohnzimmer hinunter, durchstöberte die Schubladen der alten Kommode, bis er Papier und einen Stift fand, und schrieb ihr eilig eine Nachricht. Als er wieder ins Schlafzimmer kam, konnte er nicht anders, er beugte sich über Pip und küsste sie sanft auf die Stirn, bevor er den Zettel neben ihr auf das Kopfkissen legte. Dann riss er sich los, rannte nach unten, griff sich Mantel und Autoschlüssel und verschwand.
    In der Eile und weil er Pip nicht wecken wollte, hatte Balthazar die Haustür nicht richtig zugemacht.
    Als Pip aufwachte, fand sie statt Balthazar die lang ausgestreckte, schnarchende Persicoria neben sich im Bett vor.
    Sie stutzte. Ein Hundegesicht hatte sie nun wirklich nicht auf dem Kissen neben sich erwartet.
    Sie räkelte sich. Lächelte. Lachte innerlich, genüsslich-verschämt.
    Vielleicht duschte er gerade? Aber sie hörte kein Wasserrauschen ... dann war er wohl in der Küche?
    In ihrer Seligkeit empfand sie nicht das geringste Bedürfnis, das warme Bett zu verlassen, und beschloss, an Ort und Stelle Beaus Rückkehr abzuwarten.
    Und so wartete sie ab. Und wartete. Und wartete.
    Im Haus war es mucksmäuschenstill.
    Schließlich stand Pip doch auf. Sie fröstelte in der kühlen Herbstluft und zog den langen Pullover über, den Balthazar am Abend getragen hatte, und verließ das Schlafzimmer.
    Unten an der Treppe rief sie nach ihm.
    Die einzige Antwort kam von Persicoria, die mit einem Satz aus dem Bett auf den Boden sprang, dass die Holzdielen unter ihren Pfoten wummerten, und dann oben an der Treppe erschien und erwartungsvoll zu ihr hinuntersah.
    »Beau?«, rief Pip wieder.
    Alles blieb still.
    Sie ging wieder nach oben, um sich anzuziehen, und bemerkte durch das Fenster auf dem Treppenabsatz, dass sein Wagen nicht da war.
    Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen.
    Das konnte ja wohl nicht wahr sein.
    Er war weggefahren?
    Nur Gypsy wusste, dass Pip die Nacht nicht in ihrem Zimmer verbracht hatte. Als Emerald, die doch sonst bei Pip schlief, etwas ärgerlich zu den anderen Hunden in ihr Bett geschlüpft war, hatte Gypsy sich auf Erkundungstour begeben und dabei einen Blick durchs Fenster in Balthazars Schlafzimmer

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