Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
und Hund.
Am nächsten Morgen verschlief Pip – zum ersten Mal seit ihrer Ankunft auf Arandore.
Als sie sah, wie spät es war, sprang sie eilig aus dem Bett. Sie riss die Zimmertür auf, worauf ihre ganze Familie ihr entgegenpurzelte.
Pip schaute zu, wie sie ineinander verknäult auf dem Fußboden herumzappelten.
»Manchmal muss man eben einfach Vertrauen in einen Menschen haben«, sagte sie zu ihren strampelnden Lieben, bevor sie schnell an ihnen vorbeihuschte, um die Erste unter der Dusche zu sein.
Das große Erntefest dauerte drei Tage – Freitag, Samstag und Sonntag. Gleich am ersten Tag sollten die Gewinner des Künstler- sowie Brau- und Kelterwettbewerbs gekürt werden.
Heute war es so weit. Die Siegerehrung sollte um zwölf Uhr mittags stattfinden.
Sie hatten eine Stunde Zeit, um ihren Stand aufzubauen.
Alle Teilnehmer an den Wettbewerben des Tages hatten eine Fläche in der großen Mehrzweckhalle des Ortes zugewiesen bekommen, auf der sie ihre Produkte ausstellen konnten.
Pip und Beau hatten bereits gemeinsam skizziert, wie sie ihren Cider präsentieren wollten, und deswegen war es noch sonderbarer, noch schmerzlicher, dass er nun nicht dabei war.
Aber wie immer schob Pip ihre Gefühle beiseite und nahm die vor ihr liegende Aufgabe in Angriff.
Beau hatte ganz auf ökologische Einfachheit setzen wollen. Der Charteris-Cider, so sein Argument, sei im Grunde aus nur zwei Komponenten entstanden: den Äpfeln, die die alten Bäume hervorgebracht hatten, und dem unermüdlichen Bestreben der Familie, diese Früchte in ein köstliches Getränk zu verwandeln.
Während andere Stände mit allem möglichen Firlefanz aufgepeppt worden waren und einer sogar tanzende Bierflaschen präsentierte, stellten Pip & Co. einfach die Flaschen Nummer zwanzig bis zehn auf, einzig unterbrochen von einem bezaubernden Familienfoto, auf dem sie nach vollbrachter Ernte stolz Arm in Arm zwischen alten, knorrigen Bäumen und vielen Fässern voller Arandore-Äpfeln standen. Einige der Äpfel waren jetzt süß duftend auf ihrem Tisch aufgestapelt, fein säuberlich mit Namensschildchen.
Pear Apple, Lord of the Isles, Collogett Pippin, Camelot, Golden Harvey, Crab Apples.
Die Konkurrenz war groß. Die Auszeichnung war in der ganzen Gegend sehr begehrt, und es gab zahlreiche Mitbewerber, darunter mehrere aus Gallant selbst.
Auch Major Jenson versuchte sein Glück. Er hatte ein schönes bernsteinbraunes Bier gebraut, das wunderbar süß schmeckte. Aber gerade darum und weil es exakt die gleiche Farbe hatte wie Beaus Augen, geriet die stoische Pip ein bisschen ins Wanken, als sie es probierte. Sie verbarg es gut, doch Judy bemerkte es trotzdem.
»Ach, ich habe meine Strickjacke vergessen, die bringt mir doch immer Glück!«, rief sie laut.
»Eine Strickjacke als Glücksbringer?« Susan runzelte die Stirn, denn es wäre ihr neu gewesen, dass Judy etwas dergleichen besaß.
Judy rollte wild mit den Augen, um ihre Schwester zum Schweigen zu bringen.
»Doch, doch, meine Glücksjacke, ohne die klappt das alles nicht, und außerdem«, sie tat, als würde sie frösteln, »wird es mir hier drinnen ein bisschen kalt ... Pip, könntest du vielleicht schnell nach Hause fahren und sie für mich holen? Sei ein Engel – ich würde ja Gypsy schicken, aber gleich wird der Preis für die Nachwuchskünstler vergeben, und mit dem Auto bist du viel schneller ...«
»Klar.« Pip wusste ebenso gut wie Susan, dass es keine Glücksjacke gab, aber sie dankte ihrer Mutter innerlich für diesen Vorwand, schnell nach Hause flitzen zu können und zu gucken, ob ...
Doch als sie auf Arandore ankam, war von Beau immer noch nichts zu sehen. Emerald saß geduldig auf der Hofmauer und hielt die Stellung.
Obwohl Pip sich fest vorgenommen hatte, vernünftig und stark zu sein, wurde ihr jetzt das Herz schwer.
Ganz gleich, weshalb er plötzlich verschwunden war, sie war überzeugt gewesen, dass er rechtzeitig wieder da sein würde. Dass er neben ihr stehen würde, wenn die Jury kam.
Die große Uhr zeigte an, dass die Preisrichter in genau zwanzig Minuten ihren Rundgang beginnen würden.
Vielleicht war er schon dort?
Pip beugte sich hinunter und küsste Emerald auf die feuchte schwarze Schnauze.
»Drück uns die Daumen, Süße.«
Mit der ersten Strickjacke, die ihr im Kleiderschrank ihrer Mutter zwischen die Finger gekommen war, kehrte Pip in die Halle mit den Ständen zurück. Pflichtschuldig streifte Judy sich das löchrige alte Teil über ihre hübsche
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