Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
Enttäuschung. Von Mad Mary und Nigel kamen sogar Buhrufe, bis Pip sie mit einem Kopfschütteln zum Schweigen brachte und mit gutem Beispiel vorangehend den halbherzigen Beifall unterstützte, der etwas dünn durch die Halle klapperte.
Gypsy konnte sich nicht beherrschen und brach in Tränen aus. Judy schlang die Arme um ihre Tochter und biss sich dabei so fest auf die Unterlippe, dass sie ganz weiß wurde. Susan ihrerseits überlegte, ob sie Evangeline Whitehead mit ein paar von den großen dicken Äpfeln mit Namensschildern bewerfen sollte.
Als der magere Applaus vorzeitig verklungen war, schaute Pip in die enttäuschten Gesichter um sich herum, lächelte allen beschwichtigend zu und ging dann zu Major Jenson und reichte ihm die Hand.
»Herzlichen Glückwunsch. Ich habe Ihr Bier probiert, und es war extrem lecker. Sie haben den Preis wirklich verdient.«
Verdattert sah Jenson sie an, dann ergriff er ihre Hand und schüttelte sie schweigend. Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte, und Pip ersparte ihm eine längere Erwiderung. Weil auch ihr jetzt die Worte fehlten, lächelte sie einfach noch einmal, machte dann auf dem Absatz kehrt und marschierte an den mitfühlenden Festbesuchern und ihrer entrüsteten Familie vorbei hinaus in den Sonnenschein.
Sie spazierte ans Wasser.
Stieß einen tiefen Seufzer aus.
Schloss die Augen und ließ sich von der sanften Herbstsonne das Gesicht anwärmen.
Sie versuchte, sich einzureden, dass das ein Rückschlag, aber nicht das Ende der Welt war und dass die grenzenlose Enttäuschung, die sie verspürte, allein der Tatsache zuzuschreiben war, dass sie nicht gewonnen hatten. Dass es nichts mit ihm zu tun hatte.
»Auf zu neuen Taten, Pip«, befahl sie sich, öffnete die Augen und drehte sich zur Gemeindehalle um ... gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Susan aus der Tür huschte. Sie sah aus, als führte sie etwas im Schilde, schaute nach rechts, nach links und hinter sich, als könnte ihr jemand folgen, und eilte dann den Berg hinauf nach Hause.
– 35 –
Dass sie davonschoss, als sei der Teufel hinter ihr her, veranlasste Pip, ihrer Tante nach Arandore zu folgen, am Wohnhaus vorbei und an Pops Cottage und den Hühnern und bis zum Gewächshaus.
Pip kam sich fast vor wie Alice, die dem Kaninchen durch sein Loch ins Wunderland folgte, während sie hinter ihrer flüchtenden Tante her in das Glashaus stürzte.
Heiße, stickige Luft schlug ihr entgegen, als sie die doppelte Schiebetür öffnete. Durch das dichte Blattwerk war es im Innern überraschend dunkel, sodass es Pip vorkam, als würde sie in einen dämmrigen, feuchtwarmen Dschungel eindringen. Fast rechnete Pip damit, exotische Tierschreie zu hören oder einen Papagei vorbeiflattern zu sehen.
In aller Ungestörtheit hatte der Mutterrebstock sich hier mächtig breit und zu einer Art Königin des Dschungels gemacht. Ihre Ranken berührten Pips Gesicht, als diese in das Halbdunkel vordrang und sich staunend umsah.
Durch einen Vorhang aus exotischen Pflanzen tastete sich Pip bis in den Arbeitsbereich des Gewächshauses vor, und dort fielen ihr fast die Augen aus dem Kopf. Schlagartig war ihr klar, wo Gypsy ihre »Biologie-Hausaufgabe« herhatte.
Im Gesicht der auf frischer Tat in ihrem illegalen Dschungel ertappten Susan mischten sich Schuldbewusstsein und Angst.
»Ursprünglich hab ich sie für Pops gezogen, für seine MS«, verteidigte sie sich sofort, während Pip sich noch voller Staunen im Cannabisforst umschaute. »Es hat ihm so sehr geholfen, Pip. Und darum hat sich mein Unrechtsbewusstsein irgendwie in Grenzen gehalten.«
Pip nickte langsam. Sie erinnerte sich noch sehr gut daran, wie krank Pops gewesen war, vor allem zum Ende hin. Sie erinnerte sich obendrein, dass auch sie selbst alles getan hätte, um ihm zu helfen. Aber jetzt war Pops – Gott hab ihn selig – nicht mehr unter ihnen.
»Okay, aber warum hast du denn dann wieder damit angefangen?«
»Was glaubst du wohl?« Susan setzte sich auf einen umgedrehten Blumentopf und stützte den Kopf in die Hände. »Wir kommen klar, Pip, aber mehr schlecht als recht, wir brauchen jede finanzielle Hilfe, die wir kriegen können. Ganz egal, wie tapfer wir es hinnehmen, dass wir den Wettbewerb nicht gewonnen haben, wir hätten die Finanzspritze von St. Wastrell gebraucht. Wie sollen wir denn jetzt unsere Cider-Kelterei wieder auf die Beine und zum Laufen bringen? Als Jenson eben gewonnen hat ... na ja, da hielt ich es für das Beste, gleich herzukommen
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