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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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nicht möglich gewesen, parallel noch ein zweites Ablenkungsmanöver durchzuführen ...
    »Also, das ist ja wohl ...« Judys echauffierte Stimme klang durch die Halle. Bisher hatte sie sich auf Gypsys Preis konzentriert, aber jetzt wollte auch sie sehen, wieso eine solche Unruhe entstanden war.
    Susan lächelte verblüfft.
    »Ausgerechnet du machst einen auf prüde? Das ist doch bloß eine nackte junge Frau.«
    »Nein, eben nicht. Das ist eine nackte junge Frau, die uns allen verdammt bekannt vorkommt ...«, murmelte Pip und sah ihrer verwunderten Mutter ins Gesicht.
    »Wie könnt ihr denn so was sagen? Man kann ihr Gesicht doch gar nicht sehen ...«, meinte Bridget und kam wieder näher.
    Da drehte Judy sich um und rief mit einer Stimme, die das Schwatzen und Lachen in der Halle übertönte:
    »Viola!«
    Viola diskutierte gerade am Stand mit den Second-Hand-Kleidern darüber, ob das Designerlabel der gebrauchten Lederhandtasche, die Major Jensons Schwester Maria gestiftet hatte, wirklich vierzig Pfund von ihrem hart erarbeiteten, soeben ausgezahlten Lohn wert war. Nun kam sie mit trotziger Miene angeschlendert, die Hände stur in die Taschen gestemmt.
    »Was ist?«
    Judy sagte nichts, sie deutete nur auf das Gemälde, genauer gesagt auf das herzförmige Muttermal, das ziemlich deutlich auf dem linken Oberschenkel des Modells zu erkennen war.
    »Du hättest eigentlich wissen müssen, dass ich dich daran sofort erkennen würde ...«
    Viola seufzte tief und verdrehte die Augen.
    »Du willst mir doch jetzt nicht im Ernst wegen so einem Scheiß einen Vortrag halten?«
    Aber Judy schüttelte den Kopf.
    »Schatz, das ist ganz und gar kein Scheiß ...« Und dann überraschte Judy alle damit, dass sie plötzlich übers ganze Gesicht strahlte und Viola in die Arme schloss. »Das ist ein Meisterwerk, ich bin so stolz auf dich ... meine Tochter, die Muse. Wo ist Anthony? Ich muss ihm unbedingt gratulieren, er hat dein Wesen perfekt eingefangen!«
    In der ganzen Aufregung war Pip die Einzige, die bemerkte, dass die Leute von St. Wastrell angekommen waren, allen voran Evangeline.
    Zwar kehrte keine absolute Ruhe in der Halle ein, aber der Geräuschpegel sank auf ein Summen ab, als die Anwesenden mitbekamen, dass die hohen Tiere da waren und die Begutachtung der Brau- und Kelterprodukte jetzt in die letzte Runde gehen würde.
    Reichlich wichtigtuerisch bewegten sie sich von Stand zu Stand und kosteten erneut von den Bieren und Weinen, wobei sie sich so gönnerhaft gebärdeten wie die Queen beim Pferderennen in Ascot.
    Am Charteris-Stand angekommen, sah Evangeline sich peinlich auffällig nach Balthazar um, und als sie ihn nirgends entdeckte, machte sie fast so ein enttäuschtes Gesicht wie Pip, als die Uhr Mittag geschlagen hatte und er immer noch nicht wiederaufgetaucht war.
    Sie hielt sich nicht lange auf, nickte Pip bloß zu, ohne den Sekt noch einmal zu probieren, und marschierte weiter zu Major Jenson, der am nächsten Stand bereits auf sie wartete. Das Lächeln auf seinem sonst so mürrischen, wettergegerbten Gesicht wirkte aufgesetzt.
    »War das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, dass sie nicht noch mal probiert haben?«, zischelte Flora leise ihrer ältesten Schwester zu.
    Pip zuckte die Achseln.
    Ob die Preisrichter noch einen Schluck von ihrem Cider tranken oder nicht, hatte so gut wie keine Bedeutung.
    Alle wussten, dass die Entscheidungen eigentlich bei den Hausbesuchen der Juroren getroffen wurden und der Sieger schon feststand. An welchem Stand die große rote Schleife befestigt werden würde, war schon gestern festgelegt worden, bei einem ausgedehnten, feuchtfröhlichen Lunch in der Zentrale von St. Wastrell.
    Endlich hatten sie ihren Rundgang durch die Halle beendet, und der Marketing-Manager von St. Wastrell kletterte auf die Bühne, um eine kurze Rede über die Qualität der eingereichten Produkte in diesem Jahr zu halten. Es war die gleiche Rede wie in den vergangenen Jahren, Wort für Wort. Und dann reichte er Evangeline die Preisschleife, damit sie damit den Sieger auszeichnete.
    Wichtigtuerisch stöckelte sie von der Bühne in die Halle hinunter und ging mit einem breiten Lächeln, in dem Beglückwünschung und Herablassung sich in etwa die Waage hielten, direkt auf die Charteris-Mädels zu ... blieb dann allerdings schon einen Stand vor ihrem stehen und überreichte die Siegerschleife Major Jensen.
    Aus den Kehlen der versammelten Familie erhob sich ein Schrei des Unglaubens und der

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