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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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sie das halbe Glas leerte.
    »Heute hab ich’s nötig.«
    Dudley nickte zustimmend.
    »Das war nicht fair, oder? Unsere Mädels hätten gewinnen müssen.«
    Um weitere Falten zu vermeiden, bemühte Opal sich, nicht die Stirn zu runzeln, aber dafür nickte sie umso heftiger.
    »Ihr Cider war viel besser als dieses fade Gebräu von Jenson, dem alten Stinktier.«
    Wieder trank Opal von ihrem Champagner. »Und wenn du mich fragst: Der Charteris-Cider ist auch besser als dieses überteuerte Edelgesöff, das wir gerade trinken. Weißt du eigentlich, was wir dafür bezahlen?«
    Während sie sinnierend ihr Glas betrachtete, breitete sich plötzlich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Sie schaute ihren Mann an.
    »Dudders, weißt du, was ich gerade denke?«
    »Was denkst du denn, mein Goldstück?« Dudley erwiderte ihr Lächeln.
    »Dass der Cider wirklich besser schmeckt als diese teure französische Plörre, die uns über zweihundert Pfund pro Kiste kostet ...«
    Nun dämmerte Dudley, worauf Opal hinauswollte. Er stellte sein Glas ab, schlang die Arme um seine überraschte Frau und beugte sie hintenüber zu einem filmreifen Kuss, der so lang und so köstlich war, dass sie die Augen schloss, als wäre sie wieder ein junges Mädchen.
    »Und weißt du, was ich gerade denke?«, sagte Dudley mit einem Grinsen, als sie die Augen endlich wieder aufschlug und er sie hochzog, weil sein Rücken sich beschwerte. »Meine Frau ist nicht nur schön, sondern sie hat auch verdammt was auf dem Kasten.«
    Um elf schlief die ganze Familie Charteris. Fix und fertig und voller Sorgen hatten sie sich in die Betten begeben und schnarchten nun alle vor sich hin.
    Bis auf eine.
    Die Kleinste.
    Als ihre Schwestern, ihre Mutter und ihre Tante alle nacheinander den Kopf durch die Tür gestreckt und ihr Gutenachtküsse zugehaucht hatten, hatte Gypsy sich schlafend gestellt. Trotz größter Bemühungen aller Beteiligten hatte sie an diesem Tag jedes einzelne Gespräch in ihrer Familie Wort für Wort mitgekriegt, und jetzt verließ sie auf Zehenspitzen ihr Zimmer, schlich die Treppe hinunter und griff zum Telefon.

– 36 –
    Pips letzter Gedanke, bevor sie abends einschlief, und ihr erster Gedanke, wenn sie am Morgen erwachte, hatten in den letzten Tagen ihm gegolten. Heute allerdings landete eine Tatsache wie mit einem Bauchklatscher im leicht gekräuselten Becken ihres erwachenden Bewusstseins: ihre Niederlage beim Brau- und Kelterwettbewerb mit dem ganzen Rattenschwanz von Sorgen, den sie nach sich zog. Keine finanzielle Hilfe, keine Pubs, die begierig auf Charteris-Cider warteten, keine groß angelegte Marketing-Kampagne.
    Sie waren ganz auf sich gestellt.
    Und zu allem Überfluss der Anruf von Thomas Stephens.
    Pip seufzte tief. Sie sehnte sich nach dem Tag, an dem die Worte Balthazar, Brau- und Kelterwettbewerb und Bristol nicht mehr ihre gesamte Denkkapazität in Anspruch nehmen würden.
    Doch an diesem Samstagmorgen sollte sie wieder einmal mit der Nase auf ihre Situation gestoßen werden.
    Als sie ihre Siegeschancen noch sehr optimistisch eingeschätzt hatten, war sie mit Beau ins Internet gegangen, und dort hatten sie einen ziemlich großen Brocken von Pips Ersparnissen in zweihundert Weinstöcke investiert. Damit hatten sie die hintere Wiese bepflanzen wollen.
    Pip hatte Judy, Susan und die Mädels damit überraschen wollen.
    Und jetzt war sie selbst total überrascht, denn sie hatte die Sache komplett vergessen.
    Als sie, wie immer gleich nach dem Aufstehen, aus dem Fenster schaute, um etwaige Anzeichen für Beaus Rückkehr auszumachen, hielten draußen gerade zwei Lastwagen, die ihre Zukunft geladen hatten ...
    Passenderweise hieß die Rebsorte Phoenix, und tatsächlich half das Einpflanzen der Weinstöcke den Charteris-Frauen, sich aus der Asche ihrer Enttäuschung zu erheben.
    Mit Ausnahme von Judy, die zwei Schichten am Tag arbeitete, machten sich alle mit Feuereifer daran, die Neuankömmlinge in die Erde zu bringen, und mit jedem frisch eingebuddelten Rebstock pflanzten sie auch ein wenig Hoffnung.
    Für Pip war diese Knochenarbeit eine wunderbare Ablenkung, sie dachte nur noch jede zweite Minute an Beau und Bristol.
    Flora und Gypsy machten sich wortlos aus dem Staub, als die Uhr auf Arandore zwei schlug, und kamen auch nicht wieder, aber die anderen schufteten weiter, bis sie draußen nichts mehr sehen konnten.
    Reichlich erschöpft fielen sie an diesem Abend früh in ihre Betten.
    Wieder ein Tag vorbei.
    Am Sonntag schlief Pip

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