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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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mehrere der Fremden Kameras dabeihatten. Vielleicht waren es doch Touristen? Doch da hoben sie die Kameras plötzlich, und für den Bruchteil einer Sekunde wünschte Susan sich, sie hätte heute Morgen doch etwas mehr Mühe auf ihre Toilette verwandt. Außerdem wurde ihr in dem Blitzlichtgewitter klar, dass Touristen weder so große Kameras mit sich herumschleppten noch ausreichend Interesse an ihr fanden, um sie für den Erinnerungsabend zu Hause abzulichten.
    »Paparazzi«, murmelte sie, »diese verdammten Paparazzi!«
    Das konnte nur eins bedeuten. Schließlich gab es in der Familie Charteris sonst nichts, was die Medien hätte interessieren können.
    »Scheiße«, sagte Susan schlicht. »So eine Scheiße.«
    Sie richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf, raffte ihre Gedanken und ihr Nachthemd zusammen und marschierte auf die Meute zu.
    Sie drängten sich vor dem Tor wie eine Herde unerschrockener Rindviecher, die vor einem Weiderost diskutieren, ob sie ein weiteres Vordringen riskieren sollten.
    »Was machen Sie hier auf unserem Grundstück?«, herrschte Susan sie an, um sie einzuschüchtern. In aller Seelenruhe reichte ein verlebter Reporter ihr die Zeitung und fragte, ob sie einen Kommentar zu der Schlagzeile abgeben wolle.
    Susan ließ den Blick auf den Artikel und dann zu dem ungeduldig wartenden Mann wandern.
    Ihre Antwort war alles andere als jugendfrei. Sie wusste, dass sie wahrscheinlich mit einer Anzeige wegen Körperverletzung rechnen musste, wenn sie blieb, daher machte sie kehrt und marschierte davon, bis ein Spaßvogel, der sich ihre Kraftausdrücke mit entzücktem Grinsen angehört hatte, ihr nachrief:
    »Darf ich Sie zitieren, gnädige Frau?«
    Susan konnte einfach nicht anders, sie blieb stehen, bückte sich, zog ihr Nachthemd hoch und zeigte ihnen einen bemerkenswert haarigen Hintern. Über die Schulter rief sie zurück:
    » Das könnt ihr zitieren, ihr Arschgeigen!«, bevor sie sich wieder sittsam bedeckte und zum Haus zurückwetzte.
    Noch nie hatten die versammelten Skandalreporter einen Menschen in Gummistiefeln und Nachthemd so schnell rennen sehen.
    Mit der Zeitung in der Faust stieß Susan krachend die Küchentür auf und kickte sie dann mit dem Stiefelabsatz ausnahmsweise fest hinter sich zu.
    »Heiliges Kanonenrohr ...«, keuchte sie. Sie lehnte sich gegen die Tür, fächelte sich erst mit der Zeitung Luft zu und faltete das Blatt dann auseinander, um den anstößigen Artikel zu überfliegen.
    »Na, da wird ja was auf uns zukommen.«.
    Am gleichen Morgen, in aller Herrgottsfrühe, staunten die Mitglieder der Rockband »Son of a Gun«, die im New Musical Express bereits als Nachfolger der Rolling Stones gefeiert wurde, nicht schlecht über die Uhrzeit. Seit gestern Abend hatten sie in den Watershed-Aufnahmestudios, flussabwärts vom Fisherman’s Boots, die Nacht durchgeprobt, vierzehn Stunden ohne Pause, und drei Spuren aufgenommen. Zuletzt hatten sie an einer Rockballade gearbeitet, der ihr Gitarrist und Lead-Sänger den Titel »Don’t Fight Me, Aphrodite« gegeben hatte.
    Aber jetzt, fanden sie, war es höchste Zeit, sich eine Pause zu gönnen, sich einen – nun ja – Kräutertee zu genehmigen, ein paar Toasties zu verdrücken und dabei auf dem Balkon des Studios zu entspannen. Von hier aus hatten sie einen schönen Ausblick auf die Mündung des Quinn.
    Die Bezeichnung Balkon war eine hochgradige Untertreibung. Der Studiobesitzer hatte hier jedem nur denkbaren Bedürfnis nachkommen wollen und ein Paradies aus Hightech-Sonnenrollos und Drehsesseln geschaffen, mit einer Bar, in der von Jack Daniels bis Diazepam alles vorrätig war.
    Nicht, dass sie sich aus diesem wahren Füllhorn an selbstzerstörerischen Genüssen auch nur im Geringsten bedient hätten.
    Obwohl zwei Mitglieder der fünfköpfigen Band sich lieber eine Handvoll Tabletten in den Rachen geschüttet und mit Whisky nachgespült hätten, wussten alle, dass ein solcher Exzess das Ende für sie bedeuten würde. Der Lead-Sänger und Gründer der Band hatte von Anfang an unmissverständlich klargemacht, sie könnten bis zum Umfallen Rock’n’Roll spielen, aber Sex and Drugs bitte nur im gesunden Maß – er hatte schon zu viel davon gesehen.
    Während er sich also seinen Tee schmecken ließ, nahm er sein Handy und wählte die Nummer der großen Plattenfirma in London, bei der sie unter Vertrag standen. Es überraschte ihn nicht, dass selbst an diesem frühen Sonntagmorgen ihr eifriger A & R-Manager, Jed Simpson, gleich

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