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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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hatte absaufen lassen.
    Dann fuhr sie zweihundert Meter weiter, bis sie schließlich das so vertraute, offen stehende Tor mit dem Messingschild »Arandore« erreichte.
    Seltsames Gefühl. Ihr wurde gleichzeitig leicht und schwer ums Herz.
    Langsam rollte sie die Auffahrt entlang, linkerhand der Obstgarten mit einer bevorstehenden reichen Apfelernte, rechterhand die üppige Blütenpracht exotischer Pflanzen, die im kornischen Klima so gut gediehen.
    Ihr Zuhause. Der Ort, den sie leidenschaftlich liebte und doch, so weit es ging, mied.
    Arandore war ein altes, leicht verwunschen wirkendes, großzügiges dreistöckiges Gebäude in C-Form mit einem Glockenturm in der Mitte. Der Hofplatz war flankiert von Blumenbeeten, in denen Sträucher und Kletterpflanzen wuchsen, die schnell sämtliche Fenster überwucherten, wenn man sie nicht regelmäßig zurückschnitt.
    Die Einfahrt zum eigentlichen Hofplatz markierte ein weiteres – schmiedeeisernes – Tor in einer brusthohen Steinmauer.
    In der Mitte des Kiesplatzes stand ein langer, ovaler Gartentisch aus Holz. Um ihn herum zehn Stühle, ganz in der Nähe ein alter Aztekengrill, und auf der Schieferplatte vor dem doppeltürigen Hauptportal, durch das nur Fremde das Haus betraten, ein Steinschwein namens Major Jenson Junior.
    »Da bin ich wieder«, seufzte Pip.
    Das Haus sah heute – wenn das denn möglich war – noch heruntergekommener aus als bei ihrem letzten Besuch. Der Efeu war deutlich höher an den Außenwänden hinaufgekrochen, lose Schindeln lagen auf dem Dach, in den Fenstern hatten fleißige Spinnen beeindruckende Netze gewebt. Doch Pip musste zugeben, dass das Haus an Zauber gewann, je mehr es verfiel.
    Kaum hatte sie den Wagen vor der kleinen Steinscheune, die als Holzschuppen diente, zum Stehen gebracht, flog auch schon die Küchentür gegenüber auf. Flora und Tante Susan erschienen im Türrahmen und wollten sich in ihrem Eifer, Pip zur Begrüßung um den Hals zu fallen, gleichzeitig hindurchpressen, wobei sie zunächst stecken blieben und dann in einem unkontrollierten Durcheinander aus Armen und Beinen auf den Hof purzelten.
    »Gott sei Dank, sie ist da!«, hörte Pip Flora so grenzenlos erleichtert ausrufen, dass sie die größte Lust bekam, auf dem Absatz kehrtzumachen und nach Bristol zurückzufahren. Dieser Impuls wurde befeuert von der Hoffnung, die in Floras und Susans Blick brannte.
    Hier kam Super-Pip, bereit, einen gerechten Kampf zu führen und alles wieder ins Lot zu bringen. Das unerschütterliche Vertrauen in sie schmeichelte ihr, war aber gleichzeitig eine Last.
    Die Erleichterung der beiden war so groß, dass sie Pip immer wieder küssten und umarmten und dabei versuchten, ihre Tränen vor ihr zu verbergen. Vergeblich.
    »Ach, Pip«, seufzte Flora, »ich bin ja so froh, dass du da bist!«
    »Ich auch«, log Pip.
    Flora war die Schwester, die Pip am ähnlichsten sah (und das, obwohl sie unterschiedliche Väter hatten): dunkelblaue Augen, glattes, dunkelblondes Haar, das sie beide schulterlang trugen, zum Lächeln geborene, volle Lippen und hohe Wangenknochen.
    Auch in Sachen Persönlichkeit ähnelte Flora Pip am meisten. Sie hatte Köpfchen, übernahm gerne Verantwortung und war äußerst pragmatisch. Sie war jetzt fast achtzehn. Und obwohl sie gerade mal dreizehn gewesen war, als Pip auszog, hatte sie nahtlos deren Rolle als Familienmanagerin übernommen.
    Darum war Flora immer so erleichtert, wenn Pip kam. Jetzt eskortierten sie und Susan Pip zum Haus und hielten sich an ihr fest, als hätten sie Angst, sie könnte weglaufen, und beide plapperten gleichzeitig drauflos, sodass Pip nur hin und wieder mal ein Wort aufschnappte.
    Pips letzter Besuch war die Rekordzeit von zwei Monaten her, und doch kam es ihr vor, als sei sie nur wenige Minuten weg gewesen, weil alles noch exakt beim Alten war.
    Die Cath-Kidston-Tasche lag immer noch auf der großen alten Anrichte, zusammen mit diversen von Judys Second-Hand-Laden- und Flohmarktschnäppchen, während das Familiengeschirr fein säuberlich eingeräumt war.
    Stapelweise gründlich gelesene Kochbücher. Der Duft nach warmer, zum Backen benutzter Butter.
    Der riesige alte Holztisch, massiv und doch irgendwie schief, mit zahllosen kreisförmigen Rändern, die tausend heiße Teller und Kaffeebecher hinterlassen hatten. Ein Haufen Zeitungen.
    Schmutzige Teller im großen, alten, eckigen Spülstein.
    Tiefe Fensternischen mit noch mehr Kochbüchern, welkenden Topfpflanzen und Le-Creuset-Backformen auf den

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