Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey

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Zuhause hat, wenn auch nur vorübergehend ... Genau wie mit allem anderen Viehzeugs, das du aus der Praxis bisher hier angeschleppt hast.« Ihr besänftigender Gesichtsausdruck nahm verschlagene Züge an. »Obwohl es natürlich eine Premiere ist, dass du nicht Hund, Katze oder Maus anschleppst, sondern einen Mann ...«
    »Du wirst doch nett zu ihm sein, Nancy, ja?«
    »Aber klar, wenn er wirklich so ein toller Hecht ist, wie du immer erzählst ... Was meinst du, ist er schon stubenrein?«
    »Wenn nicht, wirst du im Handumdrehen dafür sorgen ... Jetzt mal im Ernst, Nancy, bitte sei nett und nicht fies zu ihm ... Ich mag ihn wirklich sehr.«
    »Weiß ich doch.« Pip war erleichtert, Nancys aufrichtigen Blick zu sehen. »Mach dir keine Sorgen. Ich werde mich schon ordentlich um ihn kümmern.«
    In der Praxis brannte Licht. Wenn Chester Bereitschaft hatte, ging er selten nach Hause. Er schien sich in seinem Büro mit der Pritsche und dem Fernseher im Schrank fast wohler zu fühlen als in seinen eigenen vier Wänden. Chester war ein hervorragender Tierarzt, aber manchmal fragte Pip sich, ob seine Affinität zu den Praxisräumen vielleicht weniger mit seiner Leidenschaft für Tiere und seinen Beruf zu tun hatte als mit seiner Frau Clara ...
    Die beiden waren ein sehr ungleiches Paar.
    Clara war eine urbane Frau, ganz Glitzer und Glamour. Chester war der Mann vom Lande, er liebte Gummistiefel, Matsch und frische Luft.
    Er freute sich, Pip zu sehen, doch sein Lächeln gefror, kaum dass sie den ersten Satz ausgesprochen hatte.
    »Ich brauche ein paar Tage Urlaub«, fiel sie mit der Tür ins Haus. Wozu lange fackeln? Pflaster riss man auch am besten mit einem Ruck ab. Das tat zwar weh, aber dann war die Sache überstanden.
    Chester sah sie an, als hätte sie gerade seine Großmutter erschossen.
    »Es ist wirklich dringend, sonst würde ich nicht darum bitten«, fügte sie hinzu, als er langsam anfing, den Kopf zu schütteln.
    »Wann?«
    »Das ist der Punkt. Sofort.«
    »Jetzt gleich?«
    »Ja, jetzt gleich.«
    »Das heißt, du kommst morgen nicht?«
    Pip schüttelte den Kopf.
    »Und. Wie. Lange?«, presste er hervor.
    »Weiß ich noch nicht.«
    Chester begann zu schwitzen. Seine Augenbrauen befanden sich bereits auf halber Stirnhöhe.
    »Maggie schafft das schon, das wissen wir doch beide«, versuchte Pip, ihn zu beschwichtigen, aber die Augenbrauen wanderten noch höher, und er machte ein extrem langes Gesicht.
    »Es geht hier aber nicht darum, es zu schaffen, Pip. Unsere Praxis läuft wie geschmiert, sie ist ein Musterbeispiel an Effizienz, und nichts gegen Maggie, aber das Einzige, was bei ihr effizient verläuft, sind ihre Plauderstunden.«
    »Du wirst ohne mich zurechtkommen müssen, Chester. Ich muss zu meiner Familie. Es ist ein Notfall.«
    »Ach, wieder mal ein Notfall ...« Hoffnung glomm in seinem Blick auf. »Könntest du denn nicht vielleicht am Samstag nach der Arbeit hindüsen und Sonntagabend wiederkommen?«
    Pip schüttelte den Kopf.
    »Dieses Mal leider nicht, Chester.«
    Chester war ein guter Chef, und obwohl er eine Heidenangst davor hatte, seine wertvollste Mitarbeiterin länger als eine kurze Mittagspause lang entbehren zu müssen, erkannte er doch, dass seine sonst so optimistische, fröhliche Pip niedergeschlagen und ernst wirkte.
    »Ist es sehr schlimm, Pip?«, erkundigte er sich.
    »Ja.«
    »Soll dich mal jemand in den Arm nehmen?«
    Pip nickte traurig.
    »So ein Ärger aber auch, dass ich jeglichen Körperkontakt mit Angestellten strikt ablehne.«
    Das war ein alter Witz zwischen ihnen, und er tröstete Pip fast genauso wie eine tatsächliche Umarmung. Vor allem, als der auf strikte Grenzen bedachte Chef die Hand ausstreckte und sie ihr liebevoll auf den Arm legte. Das war ein äußerst seltener, fast schon intimer Körperkontakt.
    »Dann nimm dir so lange frei, wie nötig«, zwang er sich selbst zu sagen. Die Worte blieben ihm fast im Hals stecken.
    Dann kam ihm ein Gedanke. Sein Herz raste.
    »Du kommst doch wieder, Pip?«
    Jetzt sah Pip Chester an, als hätte er gerade ihre Großmutter erschossen.
    »Natürlich, Chester. Natürlich! Das hier ist doch mein Leben. Ich muss nur vorübergehend zu meiner Familie und zusehen, was ich für sie tun kann. Und ansonsten halte ich es ganz klar wie Arnie.« Sie stellte sich auf Zehenspitzen und schlang den Arm um seine Schultern. »Ich komme wieder.«

– 6 –
    Drei Stunden brauchte sie bis Cornwall, und das, obwohl die Autobahn ausnahmsweise mal