Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
Pfund verkauft! Ich hatte über fünfhundert dafür bezahlt!«
Nur mit Mühe verkniff Pip sich die Frage, wo Viola fünfhundert Pfund für eine Handtasche her hatte, und wandte sich an Gypsy.
»Stimmt das, Gyps?«
Sie sah ihrer Schwester den inneren Konflikt an. Sollte sie lügen oder die Wahrheit sagen? Was würde ihr am wenigsten Ärger einbringen?
»Die Wahrheit, Gypsy«, bedrängte Pip sie. »Du weißt doch: Lieber eine Wahrheit mit Schrecken als eine Lüge ohne Ende ...«
Diesen Spruch hatte Pop ihnen immer wieder gepredigt.
Zwar konnte Gypsy sich nicht an Pop erinnern, aber seine Weisheiten, von Mutter und Schwester gerne zitiert, hatten sich ihr durchaus eingebrannt.
Gypsy war erschüttert darüber, dass Pip offenbar wieder einmal ihre Gedanken gelesen hatte, und da sie keinen echten Ausweg sah, verwarf sie die Geschichte von dem einbeinigen, halb blinden Waisenkind, das sie ganz hinten im Garten gefunden hatte und dessen Leben sie nur mit dem nötigen Kleingeld retten konnte, und nickte.
»Okay. Die Wahrheit. Ich brauche das Geld. Total dringend, echt. Sonst hätte ich das doch nicht gemacht ...« Flehend sah sie Pip an.
»Und wofür, bitte schön, brauchst du zweihundert Pfund?«
»Für Persi.« Gypsy warf einen schnellen Blick auf Viola, um zu überprüfen, ob diese ihr wieder an die Gurgel wollte.
»Für Persi?«
»Damit sie sie stilettieren und mikroskopieren können.«
Es dauerte einen Moment, bis es Pip aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in einer Tierarztpraxis dämmerte, wovon ihre kleine Schwester da faselte.
»Du meinst, du möchtest sie sterilisieren und ihr einen Mikrochip einsetzen lassen?«
»Ja, genau, das waren die Fremdwörter. Es ist meine Pflicht als verantwortungsbewusste Hundehalterin, meinen Hund sterilisieren zu lassen. Das hat Major Jenson gesagt, als Persi mal zu ihm rüber ausgebüxt ist und mit Guinness gespielt hat. Er hat gesagt, ich hätte es nicht verdient, einen so schönen Hund zu haben, wenn ich mich nicht ordentlich um ihn kümmere, und wenn ich mich nicht ordentlich um den Hund kümmern würde, dann würde jemand kommen und ihn mir wegnehmen. Ich will aber nicht, dass jemand kommt und mir Persi wegnimmt.« Ihre großen blauen Augen füllten sich mit Tränen. »Darum habe ich beim Tierarzt angerufen, und der hat gesagt, das Ganze kostet über hundert Pfund ...«
»Die Handtasche hat fünfhundert gekostet, du Flachhirn!« Violas Porzellanteint nahm einen wenig kleidsamen Lilaton an.
Pip legte ihr zur Beruhigung eine Hand auf den Arm.
»Immer mit der Ruhe. Gyps? Hast du die Tasche schon verschickt?«
Gypsy schüttelte den Kopf.
»Gut, dann schreib dem Käufer eine Mail, dass die ganze Sache ein Irrtum war und die Tasche gar nicht zu verkaufen ist.«
»Das geht nicht! Dann bekomme ich eine schlechte Bewertung!«
»Tut mir wirklich leid, Gyps, aber dann solltest du in Zukunft vielleicht besser keine Sachen verkaufen, die dir gar nicht gehören. Du musst den Verkauf rückgängig machen.«
»Und was ist mit Persi? Die braucht nämlich auch eine Spritze, damit sie nicht wütend wird.«
»Du meinst wohl eine Impfung gegen Tollwut?« Pip schlug jetzt, da sie das Motiv des Fehlverhaltens ihrer Schwester kannte, schon einen sanfteren Ton an.
»Kann sein, aber sie soll auch nicht wütend werden, wütende Hunde bellen und machen den Leuten Angst ...« Aus großen Augen sah sie ihre Schwester an. »Kriege ich jetzt Ärger?«
»Ja!«, behauptete Viola.
»Na ja«, sagte Pip, »schließlich hast du dir einfach so Violas Tasche genommen, und das macht man nicht, man vergreift sich nicht an den Sachen anderer Leute. Du wirst sie ihr also sofort zurückgeben, dich entschuldigen und ihr versprechen, dass so etwas nie wieder vorkommen wird.« Als Gypsys Unterlippe zu beben begann, fügte Pip versöhnlich hinzu: »Du sollst aber auch wissen, dass ich es sehr ehrenhaft finde, dass du dich verantwortungsvoll um Persi kümmern möchtest und dass ich, was das betrifft, sogar stolz auf dich bin. Aber stehlen, Gypsy, geht überhaupt nicht. Niemals. Egal, aus welchen Gründen. Und außerdem würde mich mal interessieren, wieso du nicht mal mich gefragt hast? Hast du vergessen, dass ich in einer Tierarztpraxis arbeite?«
»Das wollte ich nicht. Du sagst doch immer, dass wir immer bloß zu dir kommen, wenn wir was von dir wollen ...«
An dieser Stelle wandte Viola, die zustimmend nickte, den Blick von Gypsy ab und richtete ihn vorwurfsvoll auf Pip.
»Ja, und? Dann sage
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