Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
müssen irgendwie weitermachen ... nur wie? Was sollen wir tun?«
Das war eine gute Frage.
Was jetzt?
Pips einzige Lösung war keine.
»Ich weiß es nicht.« Pip sank das Herz, als sie bemerkte, wie der einzige Ausweg, den sie für möglich gehalten hatte, versperrt war. »Ich weiß es wirklich nicht. Aber eins weiß ich ganz bestimmt: Dass du dich hier oben verkriechst, hilft nichts und niemandem.«
»Ich weiß, aber ich schäme mich doch so entsetzlich!« Melodramatisch ließ Judy sich wieder in die Kissen sinken, doch sie schnellte sofort wieder hoch. »Ich hab’s! Ich hab’s!!!«, quietschte sie, als hätte sie das Ei des Kolumbus entdeckt. »Ich könnte sterben ... oder zumindest so tun! Dann bekommt ihr meine Lebensversicherung ausgezahlt, und alles ist wieder gut ...«
»Mum!«
»Ihr könntet doch erzählen, ich sei im See ertrunken. Ich lege einfach alle meine Klamotten und eine leere Flasche Gin ans Ufer ...«
»Mum!!«
»Und dann ziehe ich mich in Pops Cottage zurück, bis ich alt und grau bin und komme erst wieder raus, wenn mich keiner mehr erkennt ...«
»Mum, du redest hochgradigen Blödsinn, und wenn du nicht sofort aufhörst, bringe ich dich eigenhändig um ...«
»Das wird wahrscheinlich gar nicht nötig sein, Liebes.« Judy führte mit verzweifelter Miene die Hand an die Stirn. »Es ist mir ein Rätsel, wieso ich nicht schon längst an meinem gebrochenen Herzen gestorben bin ... Ach, wenn doch dein Vater bloß hier wäre! Edward, wie konntest du mich nur allein lassen! Mit vier Töchtern!«, jammerte sie.
»Also, als Dad gestorben ist, hattest du nur eine Tochter«, bemerkte Pip trocken.
Judy sah Pip aus zusammengekniffenen Augen an.
»Du machst dich doch nicht etwa lustig über mich, Persicoria?«
Das war zu viel für Pip.
Sollte sie lachen oder weinen? Ihre Lippen zuckten verräterisch, und bevor sie es sich versah, fing sie an zu lachen, bis ihr die Tränen übers Gesicht liefen.
Manchmal gab es eben kein Entweder-Oder ...
Wie versteinert betrachtete Judy ihre hysterisch lachende Tochter. Doch dann rührte sich auch in ihrer Kehle etwas, das erst wie Schluchzen klang, dann wie Husten und das dann ebenfalls in befreiendes Gelächter mündete. Sie schlang die Arme um Pip, und die beiden klammerten sich erleichtert und versöhnt aneinander.
Als die Gefühlswogen sich etwas glätteten, löste Judy sich aus der Umarmung, betrachtete voller Liebe und Sorge ihre Tochter und strich ihr mütterlich über das goldbraune Haar.
»Mein süßer kleiner Golden-Delicious-Apfel«, murmelte sie. »Ach, Persicoria, Gott sei Dank, dass du zu Hause bist. Ich weiß, der Karren steckt verdammt tief im Dreck, aber jetzt, wo du hier bist, wird alles gut, da bin ich mir ganz sicher!«
Pip war sich da gar nicht so sicher.
Bereit, sich an jeden Silberstreif am Horizont zu klammern, dankte Pip eine halbe Stunde später dem Herrgott dafür, dass Judy endlich nicht nur ihr Bett, sondern auch ihr Zimmer verlassen hatte.
Mit zusammengekniffenen Augen wie ein Maulwurf, der seit Monaten zum ersten Mal aus seinem Erdloch an die Sonne kriecht, dackelte sie Pip hinterher in die Küche, wo sich die anderen drei Töchter mit Gebrüll auf sie stürzten.
Ob entzückt oder wütend, war zunächst unklar, doch dann zeigte sich, dass sie sich alle freuten und einander umarmten.
Tante Susan, die so nah am Wasser gebaut hatte, dass sie sogar bei Handywerbung heulen könnte, schluchzte wie ein Schlosshund.
Flora und selbst Viola schnieften.
Gypsy schluchzte und trat sich gegen die Knöchel.
Als sie sich endlich wieder voneinander lösten, versammelten sie sich um den Küchentisch. Eddie und Gypsy machten es sich auf Judys Schoß bequem, alle plapperten durcheinander, um sie von all dem in Kenntnis zu setzen, was in den letzten Wochen so passiert war.
Emerald, für die neben Eddie und Gypsy kein Platz mehr auf Judys Schoß gewesen war, thronte schwanzwedelnd mitten auf dem Tisch. Viola und Flora flankierten sie, Persi versuchte, auf Floras Schoß zu gelangen, passte dort aber nicht hin. Susan machte inzwischen glücklich summend Tee.
Nur Pip schwieg. Sie stand immer noch unter Schock.
Arandore gehörte ihr.
Die Tatsache an sich war schon surreal genug. Aber nun verkomplizierte dies auch noch ihr Problem. Sie konnten Arandore nicht verkaufen.
Jetzt hatte sie gar nichts mehr, keine Ideen, keine Lösungen, und trotzdem reichte schon der Umstand, dass sie ihre Mutter binnen zwei Tagen aus ihrer vier Wochen
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