Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
Abi mit Ach und Krach geschafft und beschlossen, dass sie außer ihren blauen Augen und ihrer kurvenreichen Figur nichts weiter brauchte, um gut durchs Leben zu kommen.
Edward hatte erkannt, was für eine Chaotin seine heißgeliebte Judy war, und genau darum hatte er schon frühzeitig besagte Stiftung für sie und Pip errichtet. So konnte er sicher sein, dass seine Frau und seine Tochter versorgt waren. Dass Judy noch drei weitere Mäuler zu stopfen haben würde, konnte er damals nicht wissen, aber es hatte immer gereicht: Sie konnten ihre Rechnungen pünktlich zahlen, hatten immer Essen auf dem Tisch, trugen intakte Schuhe, mussten keine Hypothek tilgen.
Judy wusste sehr wohl, dass sie im konventionellen Sinne keine gute Mutter war, aber sie war stolz darauf, ihren Mädchen so viel Liebe zu geben. Sie überschüttete sie mit Liebe. Jetzt war es an der Zeit, sich auch um ihre materiellen Bedürfnisse zu kümmern.
Sie wartete, bis Pip und Susan mit den drei Mädchen aus dem Haus waren, duschte sich, zog ein Kostüm an und legte Make-up auf. Dann kletterte sie in den alten BMW-Kombi und fuhr nach Quinn.
Quinn ist eine dieser atemberaubend schönen alten Hafenstädte, die sich dank eines dort ansässigen Starkochs, Rory Trevelyan, zu einer angesagten Urlaubs-Location gemausert hatte.
Trevelyan war kein typischer Starkoch. Völlig unverhofft war er zum Star avanciert, als vor einigen Jahren ein Kinofilm mit hochkarätiger Besetzung in Quinn gedreht wurde. Das gesamte Team war damals zum Essen ins Städtchen marschiert und war im etwas maroden Cockleshell Inn gelandet, einem gemütlichen kleinen Pub mit niedriger Balkendecke, großartiger Aussicht und einem unprätentiösen Chef in Küche und Büro.
Trevelyan bemerkte nicht einmal, dass sich unter den Horden, die die Hälfte seiner Tische belagerten, einige namhafte Hollywood-Schauspieler befanden.
Erst regte er sich über ihr rüpelhaftes Benehmen auf, dann ließ er sich von ihren überbordenden Komplimenten zu seiner Küche besänftigen, dann war er wieder verärgert, weil er übertriebene Lobhudelei nicht leiden konnte.
Schließlich war er ziemlich erleichtert, als die Bande wieder weg war, und es passte ihm auch nicht, dass sie immer wieder kam. Doch damit nicht genug – die Crew erzählte jedem, der es hören wollte oder auch nicht, dass das Cockleshell Inn mit Rory in der Küche DER kulinarische Geheimtipp in Cornwall war.
Mit den Stars kamen die Fotografen, und als DER kulinarische Geheimtipp in Cornwall dann erst mal in allen regionalen und überregionalen Gazetten vorgestellt worden war, war er natürlich auch schnell kein Geheimtipp mehr.
Dass Rory zu allem Überfluss auch noch besser aussah als die Sahneschnitte von Hauptdarsteller in erwähntem Kinohit, tat dann sein Übriges.
Die Paparazzi wollten schon bald nicht mehr nur Rorys prominente Kundschaft ablichten, sondern den Starkoch höchstpersönlich, den Mann, der den Seelachs so zubereitete, dass sich die Crème de la Crème alle zehn Finger danach leckte.
Und was tat Rory?
Er versteckte sich.
Aber das machte ihn natürlich nur noch interessanter.
Schon bald hatte er den Spitznamen »der Geheimkoch« weg und wurde immer berühmter, je mehr er sich gegen den Ruhm sträubte.
Für Quinn war das ein Glücksfall.
Aus dem verschlafenen Städtchen war binnen kürzester Zeit ein angesagtes Ausflugsziel geworden. Die oberen Zehntausend fingen an, sich dort Zweitwohnsitze zu kaufen, es wurden Restaurants eröffnet sowie Designerläden, die alle Labels von Armani bis Zilka verkauften, und Läden, die für ein Glas heimischen Honigs ohne mit der Wimper zu zucken fünfzehn Pfund verlangten, während man ein bisschen außerhalb nur sechs dafür hinlegen musste.
Auf der Fahrt in die Stadt sah Judy es schon bildlich vor sich, wie sie in einer der angesagten Boutiquen am Wasser angesagte Klamotten an angesagte VIPs verkaufte (und natürlich auch selbst trug) oder aber in einem der angesagten Restaurants den angesagten Gästen dabei behilflich war, angesagtes Essen zu bestellen.
Vielleicht würde sie sogar für Rory Trevelyan höchstselbst arbeiten. Ihn mit ihrer schnellen Auffassungsgabe, ihrem Fleiß und ihrem wohlgerundeten Hintern davon überzeugen, dass er sie weder in seinem expandierenden Firmenimperium noch in seinem Privatleben je wieder würde entbehren können ...
Als Judy die ersten Ausläufer von Quinn erreichte, hatte sie sich in Gedanken schon von der Platzanweiserin im Cockleshell Inn zu
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