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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Ich hatte ihr sogar angeboten, alles anwaltlich als Darlehen festzuschreiben, aber sie sagte, dafür sei keine Zeit, und ich kann schließlich nur beraten, ich kann sie zu nichts zwingen. Was nicht heißen soll, dass mir selbst immer noch ganz blümerant wird, wenn ich daran denke, was passiert ist. Wenn mir irgendwas einfällt, das euch helfen könnte, melde ich mich sofort bei dir, versprochen.«
    Zeitgleich fuhren Judy und Pip nach Gallant zurück, und auf ihren Gesichtern zeichneten sich die gleichen tiefen, nachdenklichen Furchen ab.
    Pip hatte ein Problem mehr und einen möglichen Ausweg weniger; Judys kindlicher Aufregung war Niedergeschlagenheit und Ernüchterung gewichen.
    Die Saison neigte sich ihrem Ende zu, die Geschäftsleute trennten sich von Mitarbeitern, statt neue einzustellen, und so hatte Judy überall, wo sie hinkam, mal mehr, mal weniger nette Absagen kassiert.
    Und Judy war Absagen nicht gewöhnt.
    Pip erreichte Arandore nur zwei Minuten vor ihrer Mutter. Sie parkte und blieb zunächst im Auto sitzen, um ihre Gedanken zu sortieren und sich zu sammeln. Dann setzte sie wieder ihr Lächeln auf und marschierte Richtung Küche. Sie wollte eine Runde mit den Hunden gehen und sich dann vor dem Abendessen noch mal die Rechnungen und den ganzen Finanzpapierkram ansehen – vielleicht hatte sie doch noch einen rettenden Geistesblitz.
    Judy erreichte soeben übellaunig Arandores Einfahrt, da gab sie kurz entschlossen wieder Gas und folgte der schmalen, gewundenen Straße nach Gallant.
    Sie parkte direkt vor dem Fisherman’s Boots.
    Der Pub befand sich in einem alten Steingebäude mit Hängekörben voller Blumen und mehreren Terrassen, von denen aus man einen großartigen Blick auf den Mündungsbereich des Quinn hatte, auf dem Schiffe schaukelten, segelten und manchmal auch sanken. Die Straße, die am Pub vorbeiführte, wurde bei Springflut und ungewöhnlich hohem Hochwasser oft überschwemmt, was schon manchem arglosen Touristen das Auto gekostet hatte.
    Der Pub war das Herzstück des Ortes. Hier traf man sich, hier wurde geredet, getratscht, gegessen, hier nahm man sich in und auf den Arm, hier prügelte man sich. Für Judy war es hier und jetzt die einfachste Möglichkeit, an einen Gin Tonic heranzukommen, in dem sie ihre Sorgen ertränken wollte.
    Judy hievte sich auf einen der Barhocker, wuchtete ihre Handtasche auf den Platz neben sich und bat den Wirt, ihr einen Gin Tonic zu machen. Dann wühlte sie in ihrer Handtasche, erinnerte sich wieder an ihre finanzielle Situation und hätte sich am liebsten in den Hintern gebissen dafür, wieder so verdammt gedankenlos zu sein. Sie machte den Gin Tonic rückgängig und bestellte sich stattdessen einen Orange Squash.
    Dudley Dooley war erst seit zwei Jahren der Inhaber des Fisherman’s Boots. Er war aus Mittelengland hierhergezogen, um sich seinen Traum vom Leben direkt am Meer zu erfüllen.
    So wie fast alle Männer in Gallant und den umliegenden Dörfern hatte auch er schon lange eine Schwäche für die lebenslustige, schlagfertige Judy Charteris mit den großen blauen Augen und den entzückenden Kurven.
    Nicht, dass er jemals ernsthaft in Betracht gezogen hätte, mehr als nur mit ihr befreundet zu sein. Schließlich war er schon dreißig Jahre mit Opal verheiratet und würde nicht im Traum daran denken, seine Frau zu betrügen. Zumal er auch niemals damit rechnen würde, dass »Ihre Köstlichkeit«, wie er Judy insgeheim nannte, ihm jemals die Gelegenheit dazu geben würde. Aber er unterhielt sich gerne mit ihr, und er bewunderte sie gerne so, wie man ein tolles Gemälde in einem Museum bewunderte: mit gebührendem Abstand.
    Wie üblich war er blitzschnell bei ihr und servierte ihr den zuerst bestellten Gin Tonic. Ihre gestammelten Erklärungen zur mangelnden Zahlungsfähigkeit fegte er vom Tisch.
    »Du siehst aus, als könntest du ihn gebrauchen, Judy.«
    In Judys Miene mischten sich Dankbarkeit und Scham.
    »Danke, das ist wirklich lieb von dir ...«
    Dudley zwinkerte ihr zu.
    »Ach, lass nur, mir gehört der Pub hier. Ich seh das mal als meine gesellschaftliche Pflicht. Es ist wie beim Arzt – die Leute kommen mit ihren Sorgen zu mir, und ich verschreibe ihnen etwas. Manchmal reicht schon ein freundliches Wort, manchmal muss es ein Gin Tonic aufs Haus sein. Aber sag mal, was bedrückt eine schöne Frau wie dich?«
    Judy verzog das Gesicht.
    »Das willst du gar nicht wissen.«
    Dudley stützte den Ellbogen auf den Tresen, platzierte das Kinn in der

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