Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
Praxis zu eröffnen, stresst mich, solange du nicht hier bist und alles am Laufen hältst.«
»O nein«, stöhnte Pip schuldbewusst. »Das tut mir wirklich leid, Chester ...«
»Ist schon gut. Aber tu mir bitte einen Gefallen und richte deiner Familie von mir aus, dass sie nicht die einzigen sind, die dich dringend brauchen, ja?«
»Kann ich gerne machen, aber ich fürchte, das wird sie nicht sonderlich interessieren.«
Die Mädels besaßen nämlich das sogenannte »selektive Gehör«. Sie hörten nur das, was sie hören wollten. Vergleichbar mit Hunden, die Wörter wie »Gassi« und »Fresschen« zu jeder Tages- und Nachtzeit problemlos verstanden, aber offenbar akuten Hörverlust erlitten, wenn Kommados wie »Sitz!« oder »Platz!« erklangen oder man sie freundlich bat, unter die Dusche zu springen, damit man ihnen zu einem für Menschennasen erträglichen Geruch verhelfen konnte.
Da es Samstag war, trommelte Pip den Rest der Familie zusammen, damit sie ihr beim Entladen des Autos helfen und alles in die Scheune tragen konnten.
Als sie mit der zweiten Ladung wiederkam, waren sie samt und sonders verschwunden. Aber Pip konnte sie kichern hören, und zwar in gar nicht so großer Entfernung. Ihre Lieben führten ganz offensichtlich etwas im Schilde ...
Pip betrachtete das zum Bersten vollgestopfte Auto. Natürlich könnte sie es auch selbst entladen, aber sie würde fünf Mal so lange brauchen. Und weil die Zeit drängte, folgte sie der akustischen Kicherspur ...
Erst, als ihr sechs Füße direkt ins Gesicht baumelten, merkte sie, dass die drei auf einem Baum mit Blick auf den Weiher saßen.
»Äh – darf ich mal fragen, was ihr da oben macht?«, wollte sie wissen.
Sie giggelten verschämt, schwiegen ansonsten aber stille. Pip folgte ihren Blicken, die auf ein glitzerndes Etwas gerichtet waren. Das glitzernde Etwas befand sich im Wasser und war ein glitzernder, schwimmender Jemand. In gleichmäßigen Zügen kraulte er entspannt durch das kühle Nass. Als er das flache Ufer erreichte, stand er auf und watete an Land. Glänzend liefen ihm kleine Rinnsale über die breiten Schultern, die durchtrainierte Brust und den Waschbrettbauch.
Balthazar.
Wie der aus dem See bei Netherfield steigende Mr. Darcy.
Nur spärlicher bekleidet.
Und nahtlos gebräunt.
Pip hielt die Luft an. Dann atmete sie langsam wieder aus. Riss sich von dem Schauspiel los und wandte sich vorwurfsvoll an ihre Schwestern.
»Kommt sofort da runter, ihr Hennen, und hört auf zu spannen! Ihr seid ja die reinsten Glucken! Ich schäme mich für euch!«, zischte sie leise.
Die Mädchen sprangen lachend vom Baum und verdrückten sich. Leider erregten die Gemeinschaftslandung, das Gelächter und der Abmarsch durch das Unterholz Balthazars Aufmerksamkeit, und er sah herüber.
Und die einzige, die jetzt noch unter dem Baum stand, war Pip. Eigentlich wäre sie ja selbst am liebsten auf den Baum geklettert, hätte sich in der Krone versteckt wie zuvor ihre Schwestern und ihn dabei beobachtet, wie er seinen Alabasterkörper abtrocknete und sich wieder anzog ... Aber da er sie bereits gesehen hatte, war das wohl keine Option mehr.
Fieberhaft überlegte Pip, wie sie die Situation retten könnte, und ebenso fieberhaft bemühte sie sich, den Blick strikt auf sein Gesicht zu richten. Letztlich hob sie lahm die Hand und winkte ihm dümmlich lächelnd, als sei es die normalste Sache der Welt, dass sie dort stand und ihm beim Baden zusah.
Und dann sagte er etwas.
»¡Hola!«
Er hatte offenbar völlig vergessen, dass er so gut wie nackt war. Bis auf die Unterhose, die klitschnass an ihm klebte.
Lass mich deine Shorts sein.
»Hi«, stieß Pip hervor und errötete bei ihrem eigenen nicht ganz jugendfreien Gedanken. »Hi«, wiederholte sie stupide – aber was sollte sie auch sonst sagen? Dass nicht sie ihm nachspionierte, sondern ihre Schwestern?
Sie bemühte sich, unbeteiligt zu gucken, was natürlich etwas schwierig war, solange sie noch damit beschäftigt war, ihm ins Gesicht zu sehen.
Zu ihrem Erstaunen wirkte er plötzlich nicht weniger peinlich berührt als sie – eine Spur zu hektisch sammelte er seine Klamotten zusammen.
»Tut mir leid«, rief er ihr schnell zu. »Ich dachte, alle wären weg, und das Wasser sah einfach so verlockend aus, es ist unglaublich warm ... Findest du es nicht auch ziemlich heiß?«
»Ja, heiß, finde ich auch ...«, wiederholte Pip und versuchte den Blick von seinem Hintern loszureißen, als Balthazar sich
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