Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
machten. Emerald, der Wildfang, hatte sich wie üblich in die Dunkelheit verkrümelt. Und Pip gab ihr – ebenfalls wie üblich – zehn Minuten, bevor sie sich auf die Suche nach ihr machte.
Sie bog um die Hausecke und stellte erstaunt fest, dass in der Scheune Licht war. Ein sanfter Schimmer nur, wie von Kerzen, und das war ja auch die einzige mögliche Erklärung, schließlich gab es in der Scheune ja keinen Strom.
Wer zum Teufel ...?
Instinktiv sah Pip zu den Zimmerfenstern ihrer Schwestern auf.
Flora saß an ihrem Schreibtisch, hielt ein Buch in der Hand und rieb sich gerade die müden Augen.
Gypsy, die doch eigentlich todmüde sein und längst schlafen müsste, hüpfte zusammen mit Persi lauthals lachend auf ihrem Bett herum, als sei es ein Trampolin.
Viola, die vor einer halben Stunde von ihrem ominösen Job wiedergekommen war, stand unter der Dusche. Das wusste Pip daher, weil sie sie singen hörte. Viola hatte eine wunderbare Stimme, war sich dessen aber wie über so viele andere ihrer Stärken nicht bewusst und sang darum nur unter der Dusche, wenn sie – wie sie glaubte – keiner hörte.
Susan saß leicht frustriert in der Küche und schüttete noch etwas Kaffee in sich hinein, in der Hoffnung, sie könne die Augen dann doch noch etwas länger aufhalten und Pip vielleicht überreden, sie einen weiteren Reparaturversuch unternehmen zu lassen.
Judy war noch im Pub.
Als Pip am Gemüsegarten vorbeikam, nahm sie vorsichtshalber Susans Spaten zur Hand und schlich sich dann bis zur offen stehenden Scheunentür.
Es konnte nur einer sein, der sich gerade hochkonzentriert über die Apfelmühle beugte.
Pip stellte den Spaten ab.
Emerald thronte gleich neben ihm auf einem prall mit was auch immer gefüllten Jutesack, neigte den Kopf zur Seite und beobachtete ihn aufmerksam aus ihren dunkelbraunen Augen.
Als Pip die Scheune betrat, erhob sich Emerald, ohne den Sack zu verlassen, und wedelte mit dem Schwanz, während der nächtliche Besucher nichts um sich herum mitbekam.
»Balthazar?«
Der spanische Mieter fuhr erschrocken hoch und stieß mit dem Kopf gegen die hölzerne Querleiste der Mühle.
»O Gott, tut mir leid.« Pip stürmte auf ihn zu. »Hast du dir wehgetan?«
Er verzog das Gesicht, schüttelte den Kopf und lächelte sie dann etwas unbeholfen an.
»Ich werd’s überleben.«
Seine Hände waren fettverschmiert.
Pip reckte sich auf Zehenspitzen, nahm vorsichtig seinen Kopf in beide Hände und nahm ihn in Augenschein.
»Ich glaube nicht, dass bleibender Schaden entstanden ist ...«, murmelte sie.
Sein Haar war seidenweich und duftete nach Shampoo, Sonne und spanischem Essen. Schlagartig kam ihr die Situation etwas zu intim vor. Sie ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. Betrachtete sich seine schmutz- und fettverschmierten Jeans, sein ebenfalls geküsst aussehendes T-Shirt, Susans Werkzeugkasten und dessen auf dem Boden verteilten Inhalt.
»Was machst du hier?«
Er lächelte.
»Ach, weißt du ... Ich stand in meiner Küche und machte Abendessen, als ich von draußen seltsame Geräusche hörte ... Als hätte sich jemand sehr wehgetan ...« Er grinste, und Pip wusste sofort, wovon er redete.
»Das war Susan«, nickte sie und lächelte entschuldigend.
»Und darum bin ich rübergekommen, um zu sehen, ob ich irgendwie helfen kann. Aber da war dann schon keiner mehr da ... bis auf den Werkzeugkasten.« Er nickte in Richtung des Metallkastens zu seinen Füßen, den man wohl als Susans große Liebe bezeichnen konnte. »Ich dachte mir, wo ein Werkzeugkasten ist, muss etwas repariert werden ... Und ich muss gestehen, dass ich mich mit Reparaturen jeglicher Art sehr gut auskenne ...«
Sein Lächeln konnte nur als selbstgefällig bezeichnet werden.
» Sehr gut?«, hakte Pip nach, ohne sich zu große Hoffnungen machen zu wollen.
Er nahm einen alten Lappen, wischte sich die Hände so sauber wie möglich ab und drehte dann am oberen Rad der Apfelmühle. Pip klappte die Kinnlade herunter, als die große archimedische Schraube ganz geschmeidig abwärts drehte.
»Du hast sie repariert?«
»Ich habe sie repariert«, strahlte er sie an.
»Ach du meine Güte! Du bist ja unglaublich!« Völlig außer sich vor Freude und Dankbarkeit fiel Pip ihm um den Hals. Nur, um sich sofort peinlich berührt wieder von ihm zu lösen und einen Schritt zurückzuweichen. Sie lächelten einander an.
»Gut«, sagte er dann, als müsse er sich sammeln und wieder auf die Arbeit konzentrieren. »Das war
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