Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
Vom Netzwerk:
ließ sich davon überhaupt nicht aus der Ruhe bringen und reparierte sie beide Male wieder.
    Susan brachte ihnen Kaffee und etwas zu essen, aber eine richtige Pause machten sie nicht. Jedes Mal, wenn eine der anderen kam und ihnen helfen wollte, fühlte es sich an, als hätte jemand Sand in ein reibungslos laufendes Getriebe gestreut ... oder als sollten sie zu dritt Tango tanzen ... Also gab eine nach der anderen ihren Hilfsversuch auf und ließ die beiden in Ruhe arbeiten.
    Sie sahen nicht auf die Uhr. Sie entwickelten einen guten Rhythmus, konzentrierten sich einzig darauf, die gerade anstehende Aufgabe zu erledigen, ganz gleich, wie lange das dauerte. Als sie genügend Äpfel zerkleinert hatten, um die Presse in Gang setzen zu können, überließ Balthazar Pip die leichtere Arbeit an der Apfelmühle und kippte die Apfelmatsche in die mit Stroh und Musselin ausgelegte Presse. Seine Armmuskeln spielten heftig, als er das schwere Rad drehte, mit dem die Schraube die Apfelmatsche nach unten drückte.
    Und als dann ein trüber Strom süßen Saftes aus der Presse in den Bottich darunter lief, rief er Pip aufgeregt zu sich herüber.
    »Pip, komm mal her ... na, komm schon ... guck ...« Er winkte sie heran. Mit dem Lächeln eines Siegers auf den Lippen legte er freundschaftlich den Arm um sie und zog sie an sich, während sie das Schauspiel betrachteten.
    »Wir schaffen das.« Er strahlte erst sie an und dann die Presse, die er repariert hatte.
    »Ja. Wir schaffen das. Danke. Vielen, vielen Dank.« Pip war klar, dass sie ohne seine Hilfe wahrscheinlich immer noch verzweifelt und wie gelähmt neben der kaputten Presse stehen würde.
    »Ach, ist doch gar nicht der Rede wert ... wirklich ...«, winkte er ab, unterbrach sich dann aber selbst, als ihm bewusst wurde, wie fest er sie an sich drückte. Er ließ sie los, lächelte verlegen und machte sich daran, die Schraube noch ein paar Zentimeter herunterzudrehen.
    Verwundert sah Pip ihn an.
    Der Mann verschwieg ihnen doch irgendetwas.
    Ständig wirkte er, als würde er sich auf die Zunge beißen, als würde er ihr gleich irgendein Geständnis machen.
    So stand sie einfach nur da und beobachtete ihn eine Weile. Und dabei fiel ihr auf, mit welcher Leichtigkeit und Routiniertheit er alles erledigte. Das konnte er sich doch nicht alles gerade erst angeeignet haben.
    Und dann wurde es ihr klar.
    »Du weißt genau, was du da tust, stimmt’s?«, rief sie ihm zu.
    Er hielt inne und sah sie fragend an.
    »Ich meine das hier ...« Pip zeigte auf die durchorganisierte Fertigungsstrecke, die er aus ihrem Chaos gemacht hatte.
    Er lächelte.
    »Vielleicht ...«
    »Nichts ›vielleicht‹.« Pip wusste, dass sie recht hatte und grinste ihn an. »Du machst so was nicht zum ersten Mal, stimmt’s?«
    »Ja, gut, ich muss gestehen, dass ich ein bisschen Erfahrung darin habe.«
    »Ein bisschen Erfahrung?«
    »Na ja, in Spanien ... also, meine Familie hat ein Weingut ...«
    »Ein Weingut?« Pip riss die Augen auf. »Deine Familie hat ein Weingut? ... Was denn für eins? Na ja, wahrscheinlich eins, das Wein produziert, aber ich meine ... Ist es groß?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Na ja. Mittel.«
    »Mittel. Das heißt?«
    »So sechzig- bis achtzigtausend Flaschen im Jahr.«
    Pip musste lachen.
    »Und das nennst du mittelgroß? Das ist riesig! Gigantisch! Deine Familie hat ein Weingut«, wiederholte sie ungläubig. »Dir gehört ein Weingut. Das heißt, wenn ich sage, dass du in Sachen ›aus Früchten Alkohol machen‹ wohl weißt, was du tust, ist das die Untertreibung des Jahrhunderts, weil du in Wirklichkeit ein absoluter Winzer-Crack bist?«
    Er lächelte schief und bescheiden.
    »Nicht ganz. Mein Vater ist Master of Wine, ich noch nicht. Den Theorie- und den Praxisteil habe ich schon durch, jetzt schreibe ich noch an der Abschlussarbeit. Wenn alles klappt, darf ich mich schon bald ebenfalls Master of Wine nennen. Von daher hoffe ich in der Tat, dass ich so einigermaßen weiß, was ich hier tue, ja.«
    »So einigermaßen«, wiederholte Pip und grinste. »Ob ich das wohl der Jury erzählen muss? Gilt das als Betrug? Wenn du mir hilfst, ist das doch fast so, als würde man Coco Chanel bitten, mal eben ein Paar Socken für den Strickwettbewerb rüberzuschieben. Ich fasse es nicht. Ein Weingut. Ein Winzer! Ha! Das ist ja fast, wie wenn man eine Autopanne hat, und im nächsten Wagen, der vorbeikommt, sitzen lauter Mechaniker ... Was mir im Übrigen tatsächlich schon mal passiert

Weitere Kostenlose Bücher