Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
gefunden ...«
»¿Sí?«
»Sí. Ja. Total. Sie war völlig hin und weg – aber er hat sie ziemlich hängen lassen.«
»Wie das?«
»Wie das?« Pip lachte kurz und bitter auf.
Die Antwort war eigentlich ganz einfach, also warum sollte sie es nicht sagen, wie es war?
»Er hat sie um unser gesamtes Vermögen gebracht.« Pip zuckte die Achseln.
Er schwieg.
»Das ist unverzeihlich«, sagte er dann.
»Ja, könnte man meinen ...«
Verwirrt sah er sie an.
»Was willst du damit sagen, Pip?«
»Na ja ... Das ist ja das Merkwürdige an der ganzen Sache ...«
»Was?«
»Na ja, wie du sagst, das ist unverzeihlich ... Er kommt her, gewinnt ihr Vertrauen, ihre Liebe, wird von allen ins Herz geschlossen, ist hier zu Hause – und dann tut er ihnen so etwas an. Aber wenn man mit meiner Mutter, meiner Tante oder meinen Schwestern über ihn redet, bekommen sie gleich wieder diesen umwölkten Blick ...« Sie schüttelte den Kopf und blies sich eine Locke aus dem Gesicht. »Du und ich, wir würden sagen, was er getan hat, ist unverzeihlich. Aber die anderen ... Ich glaube, die haben ihm schon längst verziehen.«
»Soll das heißen, dass sie nicht stinksauer auf ihn sind?«
»Nein, sie sind nicht stinksauer auf ihn.« Pip zuckte die Achseln. »Sie vermissen ihn.«
Erstaunt sah er sie an.
»Ich weiß, ich weiß ... Aber ich glaube, dass nicht nur meine Mutter sich in ihn verliebt hatte, sondern alle. Irgendwie. Ein bisschen.«
»Und du?«
»Ich bin ihm nur ein einziges Mal begegnet, da war er sehr charmant und behandelte sowohl meine Mutter als auch meine Schwestern sehr liebevoll ...«
»Aber du hast dich nicht in ihn verliebt?«
»Ich glaube, ich kann mich gar nicht verlieben. Da schenkt man jemandem sein Herz, und was kommt dabei raus?« Sie nahm einen aussortierten Apfel. »So was. Und das Hirn mutiert zu so was ...« Sie drückte zu, bis die Apfelmasse zwischen ihren Finger hindurchquoll.
»Brei.«
»Brei?«
»Pulpe.«
»Ah, ja. Du bist also noch nie verliebt gewesen?«
»Doch ... einmal ...«
»Und daraus wurde nichts? Hat er dir wehgetan?«
»Ja, aber nicht mit Absicht.«
»Darf ich fragen, was passiert ist?«
Sie seufzte schwer.
»Es war vorbei, bevor es richtig angefangen hatte, weil ... Na ja, weil wir zu jung und unbedarft waren. Wir haben uns kennengelernt, als wir quer durch Europa reisten, haben eine wunderschöne Zeit miteinander verbracht und sind dann wieder jeder seines Wegs gezogen, weil wir uns sicher waren, dass sich diese Wege eines Tages wieder kreuzen würden ...«
»Und das taten sie nicht?«
»Nein ... Wir wollten uns gerne wiedersehen, aber es hat nicht geklappt ... Wir haben unsere eigene Beziehung sabotiert, waren hinter der rosaroten Brille wie geblendet von unserer romantischen Geschichte und haben alles kaputt gemacht. Es war ein bisschen, wie wenn man mitten in einem guten Film das Kino verlässt ...«
Sie verdrehte die Augen.
»Beknackter Vergleich. Ich glaube, ich hab ein bisschen zu viel getrunken.«
Sie nahm die leere Flasche, legte sie auf den Boden und drehte sie. Als sie zum Stillstand kam, zeigte der Flaschenhals auf die Sandwiches, die Susan ihnen mittags vorbeigebracht hatte.
»Sehr gute Idee ...« Pip reichte ihm einen. »Käse ... Willst du auch?«
Er schüttelte den Kopf und nahm statt des Sandwichs die Flasche zur Hand. Mit dem Daumen strich er über das Etikett. Über ihren Namen.
»Pip. Ist das dein Spitzname?«
»Ja.«
»Und was ist dein bürgerlicher Name?«
»Mein bürgerlicher Name? Wohl eher mein biologischer Name ...« Sie lachte hohl und biss von ihrem Sandwich ab.
»Pip?«
»Persicoria ...« Sie schluckte und wiederholte. »Ich heiße Persicoria.«
Erstaunt riss er die Augen auf.
»Du heißt genauso wie der Hund?«
»Äh ... Ich würde sagen, der Hund heißt genauso wie ich. Gypsy hat mich so vermisst ...«
Weder runzelte er die Stirn, noch prustete er los vor Lachen – er lächelte und nickte.
»Verstehe. Na ja, wie ich bereits sagte, Persicoria ist ein wunderschöner Name, und ich finde, er passt sehr gut zu dir ...«
»Besser als zum Hund?« Wie immer, wenn es um ihren verhassten Namen ging, rettete Pip sich in Galgenhumor. Gleichzeitig fand sie, dass ihr Name, wenn er ihn aussprach, ganz anders klang. Sein spanischer Tonfall ließ ihn viel weicher und melodischer klingen.
Im Englischen betonte man immer das P und das C, diese harten Konsonanten, doch wenn Balthazar »Persicoria« sagte, klang das wie
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