Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
liften lassen?«
Entsetzt schüttelte Judy den Kopf, legte Opal die Hände auf die Schulter und drehte sie zu sich um.
»Jetzt hör mir mal gut zu, Opal Dooley. Das ist kompletter Wahnsinn. Du brauchst dich nicht liften zu lassen. Dein Gesicht ist vollkommen in Ordnung so, wie es ist. Aber offenbar ist etwas anderes alles andere als in Ordnung ...« Judy zeigte auf Opals Herz. Dann schob sie ihre Mundwinkel nach oben. »So sieht es schon gleich viel besser aus. Wir Frauen lassen uns immer zu leicht runterziehen, Opal, vor allem, wenn wir erst mal ein bestimmtes Alter erreicht haben. Du siehst nur deine schlechten Seiten, dabei haben wir alle schlechte Seiten ... Aber wir haben auch alle gute Seiten, und die übersehen wir leider viel zu leicht ... Wusstest du zum Beispiel, dass dein ganzes Gesicht strahlt, wenn du lächelst?«
»Wirklich?«, fragte Opal ungläubig.
»Ja, klar.« Judy lächelte sie genauso freundlich an, wie sie es schon immer getan hatte – nur war es Opal mit ihrem Tunnelblick auf ihr eigenes Gesicht nicht aufgefallen. »Das Beste, was man tun kann, um sich im Handumdrehen besser zu fühlen und besser auszusehen, ist, zu lächeln. Ja, ich weiß, eine Binsenweisheit, aber so wahr! Und du bist so schön, wenn du lächelst, Opal! Warum lächelst du nicht viel öfter?«
»Meinst du das wirklich?«
»Natürlich. Sonst würde ich es ja nicht sagen.«
»Du findest nicht, dass ich eine furchtbare, armselige Frau bin, die nur herumjammert?«
»Na ja, im Moment würde ich in der Tat lügen, wenn ich behaupten würde, du hättest noch nie besser ausgesehen ...«, witzelte Judy, um sie aufzurichten.
Opal lächelte schwach.
»Aber das lässt sich ändern.«
»Sicher?«
»Ja, klar. Kein Problem. Komm, ich zaubere dich schön!«
Opals Lächeln wurde breiter.
»Das würdest du für mich tun? Obwohl ich so ... so ... zu dir gewesen bin?«
Judy zuckte die Achseln.
»Also, wenn die Ereignisse der letzten Zeit mich eins gelehrt haben, dann dass es nie zu spät für einen Neuanfang ist. Komm jetzt, wir schmeißen die letzten Trunkenbolde raus, schließen ab, schicken Dudley ins Bett und legen los ... Wir werden allerdings ein paar Sachen brauchen ...«
»Du meinst Make-up?« Opal dachte an die Schublade in ihrem Schlafzimmer, die randvoll gefüllt war mit Schminkzeug.
Doch Judy schüttelte den Kopf.
»Nichts davon. Wahre Schönheit kommt von innen, Opal. Zuerst müssen wir dein Selbstbewusstsein wieder aufpolieren, und die im Moment angezeigte Maßnahme dafür ist eine Runde Frauentratsch ...«
Mit einer Mischung aus Hoffnung und Zynismus sah sie Judy an, und als diese sich freundschaftlich bei ihr unterhakte und ihr verschwörerisch zuzwinkerte, wurde ihr plötzlich ganz warm ums Herz.
Anderenorts breitete Balthazar seinen Pullover über Pip aus, als die Turmuhr halb zwölf schlug. Sie war auf einem Stapel leerer Säcke eingeschlafen, beseelt vom Sekt ihres Vaters und vollkommen erschöpft von ihrem Tagwerk. Balthazar beugte sich über sie und wischte ihr zärtlich etwas Schmutz von der Wange – nicht ahnend, dass Pips wachsame Tante im Zimmer ihrer ältesten Nichte stand und ein Fernglas auf die Kelterscheune gerichtet hatte ... »Quien espera, desespera ...«, murmelte er. »Das Hoffen und Harren macht manchen zum Narren, Persicoria. Andererseits ... Die Hoffnung stirbt zuletzt. Man sollte sie nie aufgeben, schon gar nicht, wenn es um Liebe geht.«
Dann stand er auf, sah sich um und atmete prustend aus.
»El que algo quiere, algo le cuesta«, seufzte er und schnappte sich die nächste Kiste Äpfel. »Ohne Fleiß kein Preis ...«
Gypsy hatte sich mit allen drei Hunden in ihr Zimmer verzogen. Mit einem rot-weiß gestreiften Topfhandschuh auf dem Kopf hatte sie es sich in einem Bettdeckenzelt mit ihnen gemütlich gemacht und freute sich auf einen Fast-Mitternachts-Snack: ein paar köstliche, heiße Würstchen ...
Und Viola zog sich gerade wieder an.
Um viertel vor zwölf trat sie vor die Tür und fröstelte. Der Spätsommertag war wunderbar warm gewesen, aber die Nacht war nun empfindlich kühl.
Sie zog den Kragen ihrer viel zu dünnen Jacke fest zu, sah auf die Uhr und beschloss, zu sehen, ob ihre Mutter schon fertig war, damit sie zusammen nach Hause laufen konnten.
Doch als sie um die Ecke bog, stellte sie fest, dass im Pub bereits Schluss für heute war. Drinnen brannte zwar noch Licht, aber die schwere Eingangstür war geschlossen.
Dann war Judy sicher schon
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