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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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berauschte mich so sehr, dass ich ihn kaum ansehen konnte. Wir saßen zusammen vor dem leeren Kamin, ich im Schaukelstuhl, er auf einem Schemel mir zu Füßen. Mutters Stricknadeln klapperten im Sekundentakt, obwohl sie den Blick entschlossen auf die Wand gerichtet hielt. Ich hingegen betrachtete seine Hände, diese schmalen Hände mit den langen, zarten Fingern und Nägeln wie rosa Muscheln. Ungeduldig baumelten sie zwischen seinen Beinen, verschlangen sich zu komplizierten Knoten.
    Es kam mir nie in den Sinn, ihm meine Hand zu reichen, damit er sie hielt. Langsam, als wollte ich es mir ein wenig bequemer machen, schürzte ich leicht den Rock und ließ die weiße Haut meiner Waden sehen. Seine Hände begannen unbeherrscht zu zucken. Da hob ich meine Unterröcke noch ein bisschen höher. Die Finger seiner rechten Hand streckten sich nach mir, zögerten nur einen Augenblick. Ich spürte ihre Hitze, obwohl er mich noch gar nicht berührt hatte. Meine Beine zitterten. Und dann waren seine Fingerspitzen auf meiner Haut und liebkosten den sanften Spalt meiner Kniekehle.
    Die unbändige Begierde, die in meinem Leib aufwallte, presste mir den Atem aus den Lungen. Ich keuchte unwillkürlich. Stumm hob er die andere Hand und legte sie mir auf den Mund. Ich küsste sie, leckte an ihr, biss hinein. Er stöhnte sanft. Unter meinen Röcken bewegte sich seine rechte Hand geschmeidig über meine Haut, sodass die feinen Härchen auf meinen Schenkeln zu winzigen Feuerblumen entflammten. Ich glitt näher zu ihm, die Beine gespreizt, und schloss die Augen, sog den Ledergeruch seiner Hand auf meinem Gesicht ein. Jeder Nerv meines Körpers fieberte seiner Berührung entgegen, als sich seine Hand unaufhaltsam, wundergleich, immer höher schob.
    In entfesselter Begierde bog mein Leib sich ihm entgegen. Als er mich schließlich im Innersten berührte, gab es nichts mehr, nichts mehr auf der Welt als seine Finger und die rasende, unfassbare Verzückung, die sie kreisend durch meinen Körper schickten, als wäre ich ein Instrument, das himmlische Engelschöre zum Erklingen brachten. War er zu einem Engel geworden? Meine Zehen in den Stiefeln verkrampften sich, und in einem Augenblick der Stille, als die Flamme strahlend hell erzitterte, reckte sich mein Bauch empor. Ich hielt den Atem an. Die Explosion zerriss mich in eine Million glitzernder Stücke, die Dunkelheit meines Bauchs erstrahlte vom Funkeln der Sterne. Als ich schließlich die Augen aufschlug und ihn anblickte, glitzerten Tränen auf meinen Wimpern. Er hob einen Finger an die Lippen und lächelte.
    Oh, dieses Lächeln! Wenn er lächelte, zog er den einen Mundwinkel ein wenig höher, sodass sich auf seiner rechten Wange ein Grübchen bildete. Dieses Grübchen war für mich beredter als seine ach so blauen Augen. Und es war gewiss hundertmal vielsagender als seine Worte, die meist nur stockend und abgehackt herauskamen und häufig von unverständlichen Ausrufen unterbrochen waren. Selbst heute noch, nach so langer Zeit, wo es mich Mühe kostet, mir jenes Mädchen zu vergegenwärtigen, kann mich die Erinnerung an dieses winzige Grübchen in Unruhe versetzen. Damals war mir, als berge diese makellose Delle ein Geheimnis, etwas unvorstellbar Wunderbares, das nur mir allein offenbar würde. Denn wie jeder Mensch, der zum ersten Mal in den Bann des körperlichen Verlangens gerät, hielt ich mich für eine Pionierin, eine Entdeckerin von etwas, das vor mir noch niemand erblickt hatte, von etwas gänzlich Außergewöhnlichem. Ich war gottähnlich, allmächtig, ein Alchimist, der durch einen Zauber gewöhnliches Fleisch in Gold verwandelt hatte.
    Hätte man mich damals gefragt, hätte ich gesagt, ich liebe ihn. Wie sonst hätte ich erklären können, wie ungeheuer lebendig ich mich dank seiner fühlte? Erst später, als die Begierde nachgelassen hatte, erkannte ich, dass keineswegs er es war, den ich liebte, sondern ich selbst – diejenige, zu der ich wurde, wenn er mich berührte. Ich hatte mich nie für besonders hübsch gehalten. Meine Lippen waren zu dick, meine Nase war zu wenig gebieterisch, meine Augen unter den dichten Brauen standen zu weit auseinander. Mein Gesicht hatte nicht die Porzellanfarbe, die ich mir insgeheim wünschte. Stattdessen lag auf meinem Gesicht ständig ein schläfriger, leicht gekränkter Ausdruck, als wäre ich eben erst aufgewacht. Aber wenn er mich berührte, war ich wunderschön. Erst danach, wenn er sich in aller Form von meiner Mutter verabschiedete und

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