Der Apotheker: Roman (German Edition)
keineswegs amüsiert zeigte, erklärte er, wie sehr es ihn freue, dass zwischen ihnen dieser unerwartete Frieden eingekehrt sei. Und obwohl ich zuerst befürchtet hatte, dass dies die Sache noch mehr verzögern würde, begriff ich bald, welcher Vorteil darin lag. Denn um sie zu provozieren, nahm der Buchhändler die Bücher aus dem Schaufenster und platzierte dort an ihrer Stelle die Fläschchen mit dem Fiebermittel, dessen Heilkraft er jedem Kunden, der den Laden betrat, in aller Ausführlichkeit darlegte. Ich betrachtete die Auslage und betete, dass seine Tochter weiterhin so verstockt blieb.
Sie blieb es. Was jetzt wiederum Mr Honfleur ungeduldig machte. Er tadelte sie vor allen Leuten, warf ihr Faulheit und Mangel an Respekt vor, und, als selbst das nichts fruchtete, lobte er in höchsten Tönen meine Aufmerksamkeit, meine Bescheidenheit und meine Bereitschaft, ihm beizupflichten. Ich sei, erklärte er provozierend, das Idealbild einer pflichtbewussten Tochter. Er suchte einfache Bücher für mich aus und ermutigte mich, ihm daraus vorzulesen sowie Gedichte auswendig zu lernen und sie ihm vorzutragen, und bedrängte seine Tochter, ihm ihre Meinung über meine Fortschritte kundzutun. Sie verfolgte alles mit eisigem Schweigen.
Mit der Zeit wurde er mürrisch. Zwar kamen nach wie vor die Franzosen auf ein Schwätzchen in den Laden, aber Mr Honfleur führte nicht mehr das Wort, sondern wanderte im Laden umher, zog da und dort ein Buch aus dem Regal und blätterte voll Überdruss darin.
»Viel größer war die Herde jener, die zu wenig denken und zu viel reden«,
las er grollend vor und klappte das Buch mit solcher Wucht zu, dass ich fürchtete, die Gedichte darin würden zwischen den Seiten zerquetscht wie Fliegen. »Warum zum Teufel müssen Dichter immer auf solchen Gemeinplätzen herumreiten?«
Und dann, an einem blassen, triumphierenden Maimorgen, begrüßte mich Mr Honfleur mit einer Verbeugung und überreichte mir meinen ersten Beutel mit Münzen.
»Bis wir reich sind, dauert es wohl noch eine Weile«, meinte er trocken. »Aber,
alors,
ein Anfang ist gemacht.«
Ich zwinkerte ihm zu und spürte in meiner Brust eine Woge der Begeisterung.
»Sechs Shilling. Geben Sie sie mit Verstand aus.«
»Sechs Shilling?«
»Jedes Vermögen beginnt mit einem Shilling.« Er hob sein Kaffeetässchen. »Auf Dr. Huppert – und auf die Zukunft.«
Ich wagte nicht, etwas zu sagen, sondern nickte nur und hielt den Geldbeutel so fest, dass die Münzen in meine Hand schnitten.
»Warum so bedrückt?« Er zog ein Gesicht. »Das ist doch ein Grund zum Feiern, oder etwa nicht?«
Er umfasste meine Taille und wirbelte mich wie im Tanz herum. Ich zog den Kopf zwischen die Schultern, errötete und bat ihn aufzuhören, aber er lachte nur und stampfte mit den Füßen wie ein Bauer beim Erntefest. Dann, ohne Vorwarnung, blieb er stehen und ließ mich so abrupt los, dass ich fast das Gleichgewicht verloren hätte.
»Meine Liebe, was verschafft uns das Vergnügen?«
Ich schnellte herum. Annette stand in der Tür. Ihre Konturen zeichneten sich vor dem Licht wie ein Schattenriss ab.
»Ich störe ungern die Feierlichkeit«, stieß sie wütend hervor. »Aber …«
»Sie spricht!« Mr Honfleur warf die Hände in die Luft. »Ein Wunder, ein Wunder ist geschehen!«
Annettes Gesicht verfinsterte sich. »Vater, ich möchte dir mitteilen, dass ich nicht länger in diesem Haus bleiben kann, während du dich mit deiner Hure vergnügst.«
Der Buchhändler explodierte wie ein Feuerwerkskörper. »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen! Du bist nicht zu alt, Tochter, als dass ich dich für diese Frechheit nicht übers Knie legen könnte!«
Annettes verächtlicher Blick hätte einen Baum in Asche verwandelt. »Es bleibt meinem Mann vorbehalten, mich zu züchtigen, Vater, falls so etwas nötig wäre.«
»Aber bis du einen Mann hast, so lange werde ich …«
»Oh, habe ich es dir denn nicht erzählt? Wie dumm von mir. Vater, ich werde heiraten.«
Diese Worte schienen Mr Honfleur einen Schlag in die Magengrube versetzt zu haben.
»Warum so entgeistert, Vater?«, fragte Annette zuckersüß. »Er ist Pfarrer, ein Mann, der Gott anbetet, nicht den Mammon. In diesen verrückten Zeiten sollte es uns allen ein Trost sein, dass es solche Menschen noch gibt. Er wird ein ausgezeichneter Ehemann sein.«
Honfleur starrte sie an und schnappte wie ein Fisch nach Luft.
»Willst du uns denn nicht deinen Segen geben? Nicht dass ich ihn
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