Der Apotheker: Roman (German Edition)
ich ihn vor Erleichterung fast geküsst. Er zog eine Braue hoch, als ich ihn mit der Frage bedrängte, wie schnell wir denn einen Gewinn erwarten dürften. Sämtliche Erlöse, erklärte er gelassen, würden in gleichen Hälften zwischen uns geteilt. Mir obliege die Herstellung des Elixiers, die – um Schwierigkeiten in der Swan Street zu vermeiden – künftig in einem ehemaligen kleinen Lagerraum hinter Mr Honfleurs Laden stattfinden sollte. Mr Honfleur seinerseits würde sich um die Verkaufsförderung kümmern.
Das Präparat, erklärte er mir, werde unter der Bezeichnung »Dr. Hupperts Fiebermittel« verkauft. Vermutlich sei mir nicht bekannt, dass dieses Wunderpräparat erst letzten Winter den König von Frankreich höchstpersönlich vor dem sicheren Tod bewahrt habe. Der dankbare König wollte daraufhin den Arzt in den Adelsstand erheben, aber der gute Mann hatte abgelehnt und stattdessen um Erlaubnis ersucht, seinen protestantischen Glauben offen praktizieren zu dürfen und mit seiner Medizin Handel zu treiben, um seiner Familie den Lebensunterhalt zu sichern. Das konnte der König einem Mann, der ihm das Leben gerettet hatte, nicht abschlagen.
»Ein feiner und frommer Mann, nicht wahr?«, meinte Mr Honfleur zufrieden. »Ein Mann, der das Herz jedes Papsthassers in London höherschlagen lässt. Ich habe ihn erst vor ein paar Tagen kennengelernt und bin von dem guten
docteur
überaus eingenommen. Es ist ein Privileg, hier in London als sein Repräsentant aufzutreten!«
Er heftete einen Zettel an die Staffelei, auf dem die Vorzüge des Elixiers in französischer Sprache angepriesen waren. Manche Wörter hatten Häkchen und Striche, sodass es aussah, als würden die Buchstaben spöttisch die Augenbrauen hochziehen. Mr Honfleur wollte passende Etiketten für die Fläschchen drucken lassen, versehen mit der Unterschrift und dem Siegel des Doktors. Obwohl ich Begeisterung heuchelte, konnte ich in Wirklichkeit kaum meine Ungeduld zügeln, die mir in den Fingern juckte. Es blieb so wenig Zeit. Solche unsinnig ausgeklügelte Vorbereitungen verzögerten nur den Verkauf der Tinktur. Die Medizin wirkte Wunder, Punktum! Das musste man nur den Kunden sagen, und schon würden wir ganze Wagenladungen davon verkaufen.
»Vertrauen Sie mir«, ermahnte mich der Buchhändler. »Der gebildete Mann erwirbt eine Ware nicht nur, weil er sie benötigt. Er kauft sie, weil sie seine Wunschvorstellungen widerspiegelt und ihm ein erhabeneres Bild seiner selbst vor Augen führt.«
Ich seufzte. Draußen schlugen die Glocken der Kathedrale soeben die volle Stunde. Es blieb so wenig Zeit. Honfleur runzelte die Stirn.
»Natürlich habe ich recht«, sagte er, als hätte ich ihm widersprochen. »Ein Mann kauft einen unbedeutenden Gegenstand, sagen wir, einen persischen Seidenschal. Wie viel weicher und farbenfroher erscheint ihm plötzlich die Seide, wenn er sich davon überzeugen ließ, sich vorzustellen, dass der Stoff, den er nun in Händen hält, zuvor die herrlich parfümierten Schultern einer dunkelhäutigen Prinzessin umschmeichelt hat? Wie viel süßer muss der Zucker schmecken, wenn er von König Georgs eigenem Zuckerhut stammt?«
Ich fieberte dermaßen nach Geld, dass mir die Rippen wehtaten. Doch für den Buchhändler lag das eigentliche Vergnügen im Pläneschmieden und darin, seine Tochter zu ärgern. Er genoss die Vorstellung, sich mit ihr darüber streiten zu können, und wünschte sich nichts sehnlicher, als sie bis aufs Blut zu reizen.
»Der von der Südsee-Kompanie entfesselte Geldfluss schwappt täglich tiefer in die Provinzen«, erklärte er ihr. »In ganz England gibt es Männer, die Geld in Hülle und Fülle haben, und sie trachten nach einem langen und gesunden Leben, damit sie es mit vollen Händen ausgeben können. Deshalb ist es geradezu meine Pflicht, ihnen dieses Fiebermittel anzubieten. Denn nur Gott allein darf über eines Menschen Leben bestimmen.«
Doch zu seiner Verwirrung und seinem Verdruss äußerte sich seine Tochter nicht dazu. Sie führte wie gewohnt den Haushalt, achtete darauf, dass ihr Vater zum Barbier ging und hinreichend reinliche Kleider trug, sie half sogar im Laden aus, weigerte sich jedoch hartnäckig, Geld für irgendetwas anderes als für Bücher entgegenzunehmen. Das alles tat sie, ohne ein Wort darüber zu verlieren.
Zuerst fasste der Buchhändler ihr Schweigen als einen gelungenen Scherz auf. Er verlegte sich auf aufwendige pantomimische Darbietungen, aber als sie sich darüber
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