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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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ungewöhnliche Macht
    ich weine & meine Tränen schmecken salzig & süß so süß
    es ist vollbracht grandiose Freude
    & ich habe Frieden gefunden
    Dank sei Gott

XLII
    I ch musste in dem Zimmer warten, das Mary in ihren letzten Wochen in der Swan Street bewohnt hatte. Als hinter mir der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde, trat ich ans Fenster und blickte auf die Straße hinunter. Das heisere Krächzen von Krähen ließ mich aufhorchen. Sie waren jenseits der hohen Dächer und nicht zu sehen, aber ich erhaschte einen kurzen Blick darauf, wie sich ein Schwarm der schwarzen Vögel auf den Schornsteinen niederließ.
    Das Zimmer machte den Eindruck, als hätte es seit Marys Verschwinden niemand mehr betreten. Auf dem Bett lag ein Haufen Decken, und auf dem niedrigen Tischchen stand ein Teller mit einer vertrockneten, halb aufgegessenen Scheibe Brot. Ich streckte mich auf dem Bett aus und barg den Kopf im Kissen. Es roch nicht mehr nach Mary, sondern nur, ganz schwach, nach Schimmel. An der Tischschublade fehlte der Griff. Die Blende war verzogen und stand ein wenig vor. Zum bloßen Zeitvertreib zog ich die Schublade heraus. Das ging so leicht, dass ich dachte, sie wäre leer, aber als ich einen Blick hineinwarf, entdeckte ich ein Knäuel aus winzigen Stofffetzen, kleinen Federn und gelben Katzenhaaren. Ich starrte darauf, ohne es zu berühren, und mir schnürte sich die Brust zu. Es waren die armseligen Kleinigkeiten, die ich ihr auf dem Essenstablett heimlich ins Zimmer geschickt hatte, um sie wissen zu lassen, dass ich sie nicht vergessen hatte. Sie hatte alles aufbewahrt.
    Als Mrs Black die Tür aufsperrte, lag ich auf dem Bett und starrte an die Decke. Ich wünschte mir nichts lieber, als dass diese ganze entsetzliche Posse endlich vorüber wäre. Wortlos folgte ich ihr zum Zimmer des Apothekers und wartete, während sie energisch an die Tür klopfte.
    »Mr Black? Darf ich eintreten? Mr Jewkes und seine Begleiter werden gleich hier sein.«
    Als keine Antwort erfolgte, öffnete sie die Tür. Im Zimmer war es totenstill, Staubspiralen tanzten gemächlich im Licht. In der Mitte, auf einem sonnenbeschienenen Fleck, stand eine Wiege aus dunklem Holz mit hohen geschnitzten Seitenwänden. Darin das Äffchen, eingewickelt in Windeln. Es schlief, und sein Gesicht zuckte traumverloren.
    Auf dem Fußboden daneben lag bäuchlings der Apotheker, in der Demutspose eines orientalischen Mystikers, mit weit ausgebreiteten Armen, die knochigen Finger gespreizt und flach auf den Dielen. Seine Schultern bebten in lautlosen Krämpfen. Er trug weder Hut noch Perücke. Sein stoppeliger Schädel glänzte silbrig im Sonnenlicht, und sein abgetragener schwarzer Rock schimmerte grünlich wie die Flügel eines Käfers. Um ihn herum verstreut haufenweise Papier, ein wenig weiter entfernt eine Feder, an deren Spitze ein schwarzer Tintentropfen glitzerte. Die Sohlen seiner Stiefel waren löchrig.
    Mrs Black drängte an mir vorbei ins Zimmer. »Sir, geht es Ihnen nicht gut?«
    Ganz langsam hob der Apotheker den Kopf. Sein Gesicht war gespenstisch weiß, das Mal auf seiner Wange bräunlich grau. Selbst die Lippen waren kreidebleich. Nur seine Augen glänzten rot, die Lider geschwollen, die Pupillen geweitet. Tränen liefen ihm über die Wangen, tropften ihm in den Hemdkragen. In der einen Hand hielt er eine leere grüne Flasche. »Wir … wir haben endlich den Beweis«, krächzte er schwach. »Der Name Black wird …«
    Dann versagte ihm die Stimme, doch mit frohlockender Miene, gleichsam in glückseliger Ekstase, streckte er die Arme von sich. Das Äffchen in der Wiege gab ein paar Laute von sich, dann war es wieder still.
    »Mr Black, die … die Kreatur, sie ist gerade aufgewacht«, sagte Mrs Black mit ungewöhnlich sanfter Stimme. »Kein Grund zur Beunruhigung. Vielleicht sollten Sie sie mir anvertrauen, bis Sie wieder bei Kräften sind, um Ihre Untersuchung vorzunehmen. Ich werde dafür sorgen, dass sie gefüttert und frisch gewickelt wird. Wenn Sie bereit sind, geben Sie Edgar Bescheid, dann bringe ich sie Ihnen. Es scheint Ihnen schon ein wenig besser zu gehen.«
    Polternd stellte Edgar sein Tablett ab. Der Apotheker bedachte ihn mit einem stieren Blick. Das Lächeln lag noch auf seinen Lippen, aber jetzt schien es, als bleckte er die Zähne. Mit enormer Anstrengung schlug er die Flasche so hart auf den Boden, als wollte er einen Toast ausbringen.
    »Edgar«, sagte Mrs Black, »den Brandy, sei so gut.«
    Sie streckte die Hand

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