Der Apotheker: Roman (German Edition)
aus, aber Edgar rührte sich nicht und starrte unverwandt auf seinen Herrn. Mr Black gab ein hohles, rasselndes Schnauben von sich und hob mühsam ein wenig den Kopf. Seine Augen traten aus den Höhlen und verdrehten sich nach oben, und schließlich kippte sein Schädel wieder nach unten, sodass seine Nase mit einem dumpfen, weichen Knall auf dem Boden aufschlug. Ein heftiger Krampf durchzuckte seinen Körper, als würde eine Marionette an Fäden gezogen. Dann rührte er sich nicht mehr. Die Flasche entglitt seiner Hand und rollte mit einem leisen Scheppern über die Dielen, bis sie gegen das Eisengitter des leeren Kamins stieß.
»Edgar«, wiederholte Mrs Black, nunmehr entschiedener. »Muss ich dich noch einmal bitten? Den Brandy.«
Ohne weiter auf ihren Mann zu achten, ging sie zur Wiege und hob das Äffchen heraus. Es wand sich in seiner Windel, worauf sie mit einem überraschten Glucksen einen Schritt zurücktrat und sich das Tier so nah ans Gesicht hielt, dass sich ihre Nasen berührten. Sie wiegte das Äffchen sanft in den Armen, die Augen halb geschlossen.
»Ganz ruhig, mein Kleines«, murmelte sie. »Mein kleiner Wildfang, mein Bastard. Ruhig, ich bin ja bei dir.«
Das Äffchen versuchte sich erneut freizustrampeln, die winzigen Fäuste fest an die Wangen gepresst. Mrs Black drückte es tröstend an ihre Brust und summte leise ein Wiegenlied, um sodann mit dem wimmernden und sich windenden Äffchen im Arm bedächtigen Schrittes aus dem Zimmer zu gehen und die Treppe hinunterzustapfen. Edgar starrte mich entgeistert an. Mit der Miene eines Mannes auf dem Weg zum Galgen folgte er ihr.
Ich blieb wie angewurzelt stehen. Es war vorbei. In trägen Spiralen drehte sich der Staub in dem Lichtbalken, und zwei dicke Fliegen summten hektisch. Die eine ließ sich auf dem Rock des Apothekers nieder, die andere auf seinem Kopf; schließlich krabbelte sie ihm ins Ohr.
Von unten hörte man erregte Stimmen, kurz darauf polternde Schritte, die die Treppe hochkamen, zwei Stufen auf einmal nehmend. Jewkes mit seiner Metzgervisage stieß mich zur Seite.
»Dieser Mistkerl! Wo ist er, dieser verdammte Schurke!«
Als er den bäuchlings am Boden liegenden Apotheker entdeckte, blieb er wie erstarrt stehen.
»Er ist tot«, sagte ich und strich mir unwillkürlich übers Ohr. »Mausetot.«
Mr Jewkes würdigte den Leichnam kaum eines Blickes. Er schnellte herum und packte mich an den Schultern. »Und wo ist sie? Wo ist mein kleines Mädchen?« Er stieß mich von sich und schlug die Hände vors Gesicht. »O Henrietta, mein süßes Kind, was habe ich getan? Was, in Teufels Namen, habe ich nur getan?«
Er presste sich die Finger an die Stirn. Seine blassen Hände waren mit Sommersprossen übersät und von goldenem Haarflaum bedeckt, und auf einmal hatte ich das schreckliche Bild vor Augen, wie er mit einer Hand über Marys Hals und Brüste strich und mit der anderen an seinem Hosenlatz herumfingerte.
»In der Hölle werden Sie schmoren, bis in alle Ewigkeit«, sagte ich, und meine gefasste Stimme klang wie aus weiter Ferne. »Denn Sie haben nicht das Kind zum Ungeheuer gemacht, Sie selbst sind ein Ungeheuer. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen …«
Mr Jewkes hielt mich am Arm fest, sanft und beinahe so, als wollte er um Verzeihung bitten. »Wo ist sie?«, flüsterte er. »Ist sie hier?«
»Sie widern mich an«, sagte ich und schluckte die Tränen hinunter, die mich in der Kehle würgten. »Glauben Sie wirklich, ich würde sie hierher zurückbringen, zu ihm, nach allem, was geschehen ist? Sie sind nicht weniger ein Ungeheuer als er.«
»Wo also ist sie? Bitte, sag es mir, ich beschwöre dich.«
Seine Stimme klang flehentlich, verzweifelt. Am liebsten hätte ich ihm die Haare ausgerissen und die Augen ausgekratzt, damit er zumindest eine Ahnung von dem Schmerz bekam, den er Mary bereitet hatte.
»An einem Ort, wo Sie und Ihre messerwetzenden Kumpane sie niemals finden werden. In Sicherheit.«
Mr Jewkes ließ die Hand sinken. »Gott sei Dank. Braucht sie einen Arzt, Geld oder sonst irgendetwas? Ich … ich würde ihr gern helfen, wenn ich kann.«
»So, wie Sie ihr bisher geholfen haben? Glauben Sie mir, Sie haben schon genug Schaden angerichtet.«
Jewkes hob den Kopf. Er hielt meinem Blick stand, demütig, als hätte er vergessen, dass ich nur eine Dienstmagd war.
»Ich habe sie schmählich im Stich gelassen«, sagte er leise. »Das werde ich mir nie verzeihen.«
Dieses unvermittelte Geständnis überraschte
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