Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
Vom Netzwerk:
das Rasseln des Pferdegeschirrs. Dann setzte sich das Gefährt mit einem solchen Ruck in Bewegung, dass ich fast von meinem Sitz gefallen wäre.
    »Was zum Teufel …?«, rief der Ehemann der dicken Frau ärgerlich und drückte sein Hinterteil noch entschiedener auf die Sitzbank. Seine Frau schluckte und stopfte sich schnell ein Stück Gebäck in den Mund. Auf ihrer Oberlippe funkelte eine Zuckerschicht.
    »Diebe?«, fragte einer der Herren ängstlich.
    »Verfluchte Bettler«, gab der Mann am Fenster zurück. »Schlafen den ganzen Winter da draußen in den Aschehaufen. Ein Bekannter von mir besitzt hier eine Ziegelei. Er kann rein gar nichts dagegen machen. Natürlich sind es die Brennöfen. Die Wärme lockt sie an wie die Motten das Licht.«
    Erleichtert, dass sie nicht unter die Räuber gefallen waren, entspann sich zwischen den Männern ein Geplauder mit mancherlei Klagen und Beschwerden. Ich hörte nicht zu. Dann hatten wir es also geschafft. Bald waren wir am Ziel. Wir kamen jetzt nur noch im Schneckentempo vorwärts. Neben uns fuhren andere Kutschen. Ich hörte das unschickliche Schmatzen des Schlamms unter den Rädern, die Rufe der Kutscher, die sich gegenseitig mit Flüchen bedachten. Pferde wieherten und tänzelten. Rinderherden, unterwegs zum Markt, versperrten den Weg und ließen ein widerspenstiges Muhen hören. Der Übelkeit erregende Gestank wurde immer schlimmer. Mehrere der Herren hielten sich Taschentücher vor den Mund. Schließlich bat ich mein Gegenüber, das Fenster herunterzuschieben, damit wir ein wenig frischere Luft atmen könnten, doch der Mann schnaubte nur verächtlich. Was glaubte ich denn, woher der Gestank komme?, gab er zurück. Die Gräben entlang dieser Straße seien außerdem mehrere Meter tief und so voll mit stinkendem Unrat, dass man fürchten müsse, die Kutsche würde jeden Augenblick knietief in dem klebrigen Schlamm stecken bleiben.
    »Dann sind Sie also das erste Mal in London«, meinte er. Er war schmächtig, hatte hochgezogene Schultern und lange, knochige Beine, die er wie ein Grashüpfer zusammenfaltete.
    Ich nickte kurz und verspürte nicht den Wunsch, das Gespräch fortzusetzen.
    »Wollen sich in der Stadt bestimmt einen Mann angeln.« Er beugte sich vor und starrte mir ins Gesicht. »Hübsches kleines Ding.«
    Ich erwiderte steif, ich hätte erst kürzlich geheiratet und sei im Begriff, bei der Familie eines Verwandten eine Stelle anzutreten, während mein Mann geschäftlich in Ostindien sei. Die anderen Passagiere, bis dahin eifrig ins Gespräch vertieft, wandten ihre Aufmerksamkeit jetzt mir zu. Sehr zu meinem Missbehagen.
    »Der Mann muss ein Trottel sein«, sagte der Nachbar des Schlaks, ein milchgesichtiger Kerl mit vorstehenden Zähnen, der beim Sprechen ringsum Spucke versprühte. »Die eigene Frau mutterseelenallein nach London zu schicken. Ausgerechnet nach London! Dem werden Hörner wachsen, noch bevor sein Schiff die Anker gelichtet hat.«
    »Der Trottel sind Sie, mein Herr, wenn Sie glauben …«
    Der Grashüpfer grinste anzüglich.
    »Ein temperamentvolles kleines Frauenzimmer, du meine Güte«, bemerkte er nicht ohne Boshaftigkeit.
    »Die Wut steht ihr gut«, gab das Milchgesicht gedehnt zurück. »Zaubert ein wenig Farbe auf ihre blassen Wangen. Sagen Sie, wenn Sie eine Stellung suchen, warum arbeiten Sie dann nicht bei mir? Ich kann mir mindestens einhundert Stellungen vorstellen, die ich Ihnen anbieten kann, und die eine ist befriedigender als die andere.«
    Ich errötete zornentbrannt, als die anderen lachten.
    »Die größte Gefälligkeit würden Sie mir erweisen, Sir«, gab ich, um Würde bemüht, zurück, »wenn Sie den Mund halten würden.«
    Der Ehemann der Dicken gluckste anerkennend und beugte sich über seine Frau hinweg, um mir das Bein zu tätscheln. Sie schlug ihm empört auf die Finger, wobei Zucker von ihrer Hand aufstob.
    »Das Mädchen sollte doch in unserem Haus willkommen sein, Madam, oder etwa nicht?«, sagte er gleichmütig und besah sich seinen malträtierten Handrücken. Und bevor seine Frau fertig gekaut hatte, um antworten zu können, wandte er sich den anderen Herren zu. Sein runder Bauch bebte vor Lachen.
    »Meine Frau duldet kein hübsches Mädchen im Haus. Die letzte Dienstmagd, die sie eingestellt hat, war auf einem Auge blind und von den Pocken dermaßen entstellt, dass es an ein Wunder grenzt, dass man sie nicht für eine Erdbeere gehalten und mit Sahne verspeist hat. Wenn es um die Dienstboten geht, ist Mrs Tomlin

Weitere Kostenlose Bücher