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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Einsteigen fragte einer der Mitreisenden, was mich so erheitere. Erst in diesem Augenblick merkte ich, dass ich lächelte.

Endlich geht es mir gut genug, um wieder zur Feder greifen zu können. Meine Unpässlichkeit war zwar schlimm, aber keinen Augenblick ernst, wie mir nun dünkt. Eine Erkältung, die in meiner Brust begann, mir dann in den Unterleib fuhr, von wo sie nicht mehr wich, mich ganze zwölf Tage ans Bett fesselte. Heute jedoch fühle ich mich wieder kräftiger, dank einer neuen Tinktur nach eigener Rezeptur: zwei Gran Opium & fünf Gran Rhabarber, zerstoßen mit etwas Kampfer & eingenommen mit einem Glas blutwarmen kanarischen Weins. Außerordentlich wirksam zur Linderung der Schmerzen. Seit Jahren habe ich keinen so gewaltigen Energieschub mehr verspürt. Heute Nacht wird die Kerze erlöschen, ehe mich meine Kräfte verlassen.
    Es ist ein für die Jahreszeit ungewöhnlich milder Abend in London, & ich sitze am Fenster, ungeachtet des Luftzugs, neben mir eine Flasche portugiesischen Weins. Selbstverständlich gehört es zu einem solchen Vergnügen, dass ich den Blick zu der monströsen Kuppel unserer neuen Kathedrale emporrichte. Eine wahrhaft groteske Schöpfung. Der prahlerische Pomp dieses Baus verrät einen papistischen Eifer, der für jeden nüchtern denkenden Anglikaner eine Beleidigung darstellt. Haben die Bürger dieser Stadt etwa schon vergessen, dass es ebenjene Ketzer waren, die das Feuer gelegt haben, den Brand, der die große Kathedrale zerstört hat, auf deren geheiligten Fundamenten sich jetzt dieser abscheuliche Furunkel erhebt? Resurgam, wahrlich! Sie ist nichts als ein Eiterpickel auf dem Antlitz der Stadt, ein Mahnmal für Verfall & Aberglauben & natürlich für Mr Wren selbst, der skandalöse vier Shilling Eintritt verlangt & der, wie es heißt, samstags wie ein Moloch im Kirchenschiff hockt und die Besucher empfängt, als befände er sich zu Hause in seinem Salon. Es ist ihm egal, dass der Bau mit unseren Steuergeldern finanziert wurde & noch nicht einmal vollendet ist & dass die Maler in der Kuppel hängen wie Spinnen in ihrem Netz. Ich bin mir sicher, dass er einen Gutteil der Eintrittsgelder für sich selbst behält. Die Eitelkeit dieses Mannes ist ungeheuerlich. Ich bezweifle nicht, dass er, wenn man es ihm gestattete, sogar einen Altar zu seinen Ehren errichten würde.
    Wie meine Feder über die Seite fliegt! Der Wein, den ich zu mir genommen habe, scheint eine berauschende Wirkung zu haben, trotz der geringen Menge. Samuel Marlowes Brief liegt hier neben mir auf dem Tisch & lässt mich im Vorgefühl der Erwartung erschauern. Ganz gewiss ist es ein Zeichen, die Antwort auf meine Gebete. Die Aussicht auf ein ungestörtes Studium ist unvergleichlich, & nach dem zu urteilen, was Marlowe schreibt, ist das Forschungsobjekt ideal, geformt aus genau jenem einfachen Lehm, der die Fantasie am stärksten beflügelt. Gepriesen sei der Herr unser Gott, der in Seiner Weisheit mich, Seinen treuen Diener, erwählt & die brennende Fackel der Wahrheit in meine Hände gelegt hat, damit ich den Weg erleuchte. Sein glorreicher Wille geschehe!

V
    E in warnender Ruf, und die Kutsche kam unvermittelt zum Stehen.
    »Ist das schon die New Road?«
    Gähnend schob der Mann mir gegenüber das Fenster herunter und spähte hinaus. Fahles Sonnenlicht puderte seine Kurzhaarperücke. Ich erhaschte einen Blick auf ein Gewirr von rauchenden Schornsteinen und das diesige Orangerot eines offenen Feuers, bevor mir ein heftiger Geruch von Schweinekot, fauligem Abfall und einer scharfen chemischen Substanz entgegenschlug, etwas wie verbranntem Haar. Ich schluckte und hielt mir die Hand vor den Mund, während der Mann abrupt den Kopf zurückzog und sich beeilte, das Fenster wieder zu schließen. Aber noch während er sich mit dem Riemen abmühte, wurde es von einer rußgeschwärzten Hand erneut heruntergedrückt. Ein graues Gesicht erschien in der Öffnung, unmöglich zu sagen, ob männlich oder weiblich. Lange, borstige, mit dickem weißem Staub überzogene Haare. Gelbe, rollende Augäpfel, die wie Eidotter in ihren tiefen Höhlen lagen. Eine Hand wie eine Klaue, die sich uns entgegenstreckte. Als sich der Mund öffnete, sah ich die beiden einzig noch verbliebenen Zähne, die schief und verwittert wie vermooste alte Grabsteine aus dem Unterkiefer ragten. Die dicke Frau neben mir stieß einen spitzen Schrei aus.
    »Bitte, Sir, nur eine Kleinigkeit …«
    Ein Ruf des Kutschers, das scharfe Zischen einer Peitsche,

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